Felix Boehm

(25.06.1881 Riga – 20.09.1958 Berlin) Dr. med., stammte aus einer deutsch-baltischen Kaufmannsfamilie. Nach Abschluss der Realschule in Riga studierte er Maschinenbau, um den väterlichen Betrieb übernehmen zu können. Er war Mitglied der Burschenschaft "Rubonia"; über diese Verbindung hatte er später Kontakt zu A. Rosenberg, dem nationalsozialistischen Chefideologen, der ebenfalls dieser Vereinigung angehörte. 1904 setzte Boehm das Studiums in München fort; 1906 holte er das Abitur in Bern und am Realgymnasium in Düren/Rhld. nach. Anschliessend studierte er bis 1912 Medizin in Genf, Freiburg i.B. und München. In der Münchener Klinik von F. von Müller begann er seine ärztliche Tätigkeit. Als Assistent bei Kraeplin und Cassierer absolvierte er seine neurologisch-psychiatrische Fachausbildung. 1906/07 lernte er die "Züricher Methode" (Psychoanalyse) durch die Lektüre von Freuds "Psychopathologie des Alltags" kennen. 1913 traf er Freud persönlich auf dem IV. Psychoanalytischen Kongress in München. Boehm wurde Mitglied der Münchner Ortsgruppe und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Nach einer ersten, unbefriedigenden Analyseerfahrung, bemühte er sich bei Freud (1914) um eine Analyse, der seiner Anfrage wohlwollend begegnete; Boehm entschied sich dann jedoch für eine Wiederaufnahme der Analyse bei der Freud Schülerin, Eugenie Sokolnicka (die später die Pariser Ortsgruppe der IPV gründete) in München. 1914 heiratete Boehm E. Welsch; später ließ er sich von ihr scheiden und heiratete seine 2. Frau. 1914 bis 1918 war er als kriegsfreiwilliger Arzt, zuletzt Bayrischer Stabsarzt und psychiatrischer Gutachter am Kriegsgericht in Germersheim. 1919 siedelte er nach Berlin über und eröffnete eine nervenärztliche Praxis. Am Berliner Psychoanalytischen Institut schloss Boehm seine psychoanalytische Ausbildung bei Karl Abraham ab. Seit 1920 arbeitete er bei der neugegründeten psychoanalytischen Poliklinik mit. Seine beiden Töchter ließ er prophylaktisch von M. Klein analysieren – das war eine zeitlang „in Mode“. 1922 promovierte er in Kiel. Der Titel seiner Arbeit lautet: "Zwei Fälle von arteriosklerotischem Irresein".

Seit 1923 war Boehm Dozent am Berliner Psychoanalytischen Institut und verwaltete den Stipendienfonds des Instituts. Die Gelder legte er für persönliche Vorhaben an, so dass sie monatelang nicht ausgezahlt werden konnten. Dieser unseriöse Umgang mit Geld schwang bei der Beurteilung seiner Haltung während der NS-Zeit deutlich mit.
1928 nahm er als Gasthörer ein Völkerkundestudium an der Berliner Universität auf, als dessen Ergebnis er, zusammen mit dem ebenfalls der DPG angehörenden Eckardt von Sydow, Seminare abhielt. Als Vertreter M. Eitingons übernahmen er und Carl Müller-Braunschweig die Leitung der DPG.

Im "Deutschen Institut" war Boehm Schriftführer und Dozent. Bis zur erzwungenen Auflösung der DPG (1938) (siehe Müller-Braunschweig) war Boehm ihr Vorsitzender; dann durfte er offiziell keine Lehranalysen mehr durchführen, hatte aber noch die Abteilung "Katamnesen" der Poliklinik des Instituts inne. Seit 1939 leitete Boehm eine Forschungsgruppe zur "Homosexualität". Von 1941 bis Kriegsende war er als Sanitätsoffizier und Gutachter in der Wehrmacht und hatte da über Leben und Tod von "Simulanten", "Wehrkraftzersetzenden" und "Homosexuellen" mitzuentscheiden.
Nach dem Krieg schloss er sich der Gruppe um Schultz-Hencke an, ohne sich als Neoanalytiker zu definieren. Als Mitarbeiter des Instituts für Psychotherapie, dessen Unterrichtsausschuss er leitete, rief er die Psychagogenausbildung (1949) ins Leben. Nach dem Austritt der Gruppe um Müller-Braunschweig (Gründung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung - DPV (1950), die 1951 wieder in der IPV aufgenommen wurde) übernahm Boehm wieder den Vorsitz der DPG (1950). Von der internationalen Öffentlichkeit fühlte er sich persönlich abgelehnt und im Stich gelassen. Nach seinem Empfinden habe er jeden seiner Verhandlungsschritte mit den Nationalsozialisten mit den führenden Psychoanalytikern abgestimmt. Der englische Psychoanalytiker John Rickman sah in ihm und Carl Müller Braunschweig die Psychoanalytiker, die am tiefsten durch ihre Kollaboration mit den Nationalsozialisten korrumpiert worden waren. Andere führenden Psychoanalytiker konnten ihn nicht eindeutig einschätzen oder gar mit den Nationalsozialisten identifizieren. Boehm starb 77 jährig, ohne eigentliches Krankenlager.

Seine Berliner Adressen:
1915 - 1930 Rankestraße 20
1931 - 1936 N.W. 87, Lessingstraße 1/I.
1937 N.W. 87, Händelallee 26
1940 Charlottenbrunnerstr. 7
? – 1958 Kulmbacherstr. 3

Literatur:
- Bibring, Grete (1952): Report of the seventeeth International Psychoanalytical Congress, (Amsterdam, 5. - 9.8.1951) Int.J.P.Vol. XXXIII, Part 3,
- Boehm, Felix (1956): Meine Begegnung mit Freud. Der Psychagoge, Sonderheft VIII/5/6 S.176-181.
- Brecht, K., Friedrich,V. Hermanns, L. Kaminer,I., Juelich,D. (1985): "Hier geht das Leben auf eine sehr merkwürdige Weise weiter..." Zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland. Hamburg.
- King, Perl (1989): Activities of British Psychoanalysts during the second world war and the influence of their inter-disciplinaey collaboration in the development of Psychoanalysis in Great Britain. In: Int. Rev. Psycho-Anal. Bd. 16, S. 15-33.
- Lockot, Regine (1985): Erinnern und Durcharbeiten. Zur Geschichte der Psychoanalyse und Psychotherapie im Nationalsozialismus. Frft.
- Lockot, Regine (1994): Die Reinigung der Psychoanalyse. Gießen