Bericht über die 25. englischsprachige kasuistisch-technische Konferenz in London vom 28.-30. April 2023

von DPG

Zur diesjährigen 25. ktK trafen wir uns in der Bibliothek des British Psychoanalytic Institute. Diese mit Büchern und Zeitschriften reich angefüllten Räumlichkeiten vermittelten den Eindruck eines aktiv genutzten, lebendigen wissenschaftlichen Ortes mit einem traditionsreichen Interesse an der Psychoanalyse und einer förmlich überquellenden Fülle an analytischer Erfahrung und Lernmaterial. So hatte dieser Ort sicher einen inspirierenden und anregenden Einfluss auf die Konferenz.

Diese startete nach der einladenden Begrüßung durch Gisela Klinckwort mit einer Arbeitseinheit mit Fakhry M. Davids aus der „Kleinian Group“ und einer ersten Fallvorstellung von Anne Suwita sowie einer eigenen Fallvorstellung von Fakhry Davids. Beide Kasuistiken regten eine sehr lebendige Diskussion an. Fakhry Davids zeigte uns sehr überzeugend und auf eine warmherzige Weise, wie er die sorgfältige Analyse der Gegenübertragung unter Zuhilfenahme des Konzepts der projektiven Identifizierung nutzt, um einen Zugang zum inneren unbewussten Erleben des Patienten zu finden und entsprechend (Übertragungs-) Deutungen zu generieren. Dieser Zugang erwies sich auch für die Vorstellung von Anne Suwita als zutiefst Empathie fördernd und damit Beziehung stiftend. Überzeugend konnte Fakhry Davids zeigen, wie seine Technik der sensiblen und konsequenten Deutung der Übertragung im Hier und Jetzt sowohl Verbindungen zwischen den inneren Objekten des Patienten als auch zwischen Patient und Analytiker schafft, ohne darin einen verfolgenden Charakter zu erlangen.

Der Samstagvormittag wurde bereichert durch eine beeindruckende Fallvorstellung von Michael Ojo und Fallmaterial von Rosine Perelberg aus der „Contemporary Freudian Group“, in denen diese sich intensiv mit der Frage von Frau-Frau-Analysen auseinandersetzte. Dabei bezog sie sich unter anderem auf die von Cournut-Janin getroffene Unterscheidung zwischen dem Weiblichen („the feminine“) und der Weiblichkeit („feminity“) und vertrat die Überzeugung, dass die Übertragung auf eine weibliche Analytikerin eine Identifikation mit einer primitiven mütterlichen Imago erlaubt und der Körper der Analytikerin dabei eine wichtige Funktion für die Konstruktion des Weiblichen der Patientin hat.

Der anschließende freie Nachmittag konnte bei frühlingshaft warmen Temperaturen genossen werden, um die Stadt zu erkunden und die vielen Eindrücke des Seminars etwas zu verarbeiten.

Am frühen Abend sahen wir in dem jüngst in Sigmund Freud Hall umbenannten Untergeschoss des Institutes den Film First Reformed von Paul Schrader (2017). Dieser zog uns unbarmherzig in eine zutiefst bedrängende und bedrückende Atmosphäre von Schuld, Hoffnungslosigkeit und Zerstörung hinein. Don Campbell gelang anschließend eine beeindruckende und überzeugende psychoanalytische Filminterpretation, allerdings wäre es der Verstoffwechslung des schwer verdaulichen Materials vermutlich förderlich gewesen, wenn die Gruppe zunächst Raum für den Ausdruck eigener Eindrücke bekommen hätte. So fiel der Übergang zu einem lockeren Beisammensein bei ausgesprochen köstlichem Fingerfood und Wein nicht ganz so leicht. Die Schwere des Films hing noch nach.

Am Sonntagmorgen befassten wir uns mit einer Fallvorstellung von Iris Hefets und einer eigenen Kasuistik von Carlos Fishman von der „Independent Group“. Dabei interessierte sich Carlos Fishman besonders für die Bedeutung der Sprache, die diese in Analysen erhält, in denen Analysand und Analytiker Migranten sind und die Analyse in der gemeinsamen Muttersprache in einem anderssprachigen Land durchführen. Fishman, stellte die These auf, dass die Sprache in einer solchen Behandlungskonstellation in einer sehr konkretistischen Form die Bedeutung der Mutter bekommt. Diese Auseinandersetzung mit migrationsspezifischen Aspekten von Analysen spielte in einer Reihe der vorgestellten Analysen eine wichtige Rolle und zog somit nochmals einen Bogen über die gesamte Konferenz.

Am Ende der Konferenz galt ein ganz besonderer Dank mit anhaltendem Applaus der nach jahrzehntelangem Engagement als Leiterin der DPG-AG Psychoanalytische Kasuistik ausscheidenden Gisela Klinckwort. Dem schloss sich ein Dank an das gesamte Team der AG Psychoanalytische Kasuistik an, das uns umsichtig und fürsorglich durch die Konferenz begleitet hat.

Am Ende kann ich nur alle, die sich für den bereichernden und anregenden Austausch mit den englischen in unterschiedlichen theoretischen Positionen beheimateten Kolleg:innen und den Kolleg:innen aus der eigenen Fachgesellschaft interessieren, zur Teilnahme an dieser englischsprachigen Konferenz ermutigen, auch wenn Sie – wie ich – sich im Englischen nicht so sicher fühlen. Die konkrete Arbeit am schriftlichen Fallmaterial erleichtert das Verständnis sowie die Verständigung und macht auf verschiedenen Ebenen Lust am Lernen.

Dorothea Kuttenkeuler

17.05.2023

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