Bericht von der ktK in London 14. bis 16. Juni 2024 

von DPG

Hierauf folgte die gespannte Neugierde, wer diesmal (erstmalig) dabei sein wird. Alles zusammen mündete in der bangen Frage, welche Lösung die Vorbereitungsgruppe der Konferenz mit uns findet, um wieder lebendig und konzentriert zusammen arbeiten zu können? Es war eine Erleichterung, dass sich Gudrun Wolber und Samuel Kenntner beherzt und persönlich direkt zu Beginn des Themas annahmen. Es gelang ihnen, die passenden Worte zu finden, um an Gisela Klinckwort und ihr langjähriges Engagement für die KtK in London zu erinnern und die Traurigkeit über diesen Verlust unmittelbar im Raum zu teilen. Gerade deshalb, so schien es mir, konnten wir uns anschließend gut der Arbeit widmen.

Nach den zwischenmenschlich kargen Jahren der Pandemie hatte auch die ktK in London zunächst mit den Spätfolgen zu kämpfen. Trotz des wunderschönen und Analyse-Geschichten flüsternden Tagungsort im Sigmund-Freud-Museum (2022) verliefen die Anmeldungen schleppend. Hiervon war dieses Jahr nichts mehr zu spüren. Die 30 vorhandenen Plätze waren schnell vergeben, aus Versehen wurde sogar um zwei Plätze überbelegt. Bei einem Teilnehmer löste die Arbeit in Übervollbesetzung in der Bibliothek des „British Institute“ Assoziationen an eine „Flugreise mit angenehmer Besatzung inklusive eingeschränkter Beinfreiheit“ aus. Unsere Reise begann am Freitag mit einer Fallvorstellung von Sigrid Dümmlein, die von Fakhry Davids („Kleinian Group“) diskutiert wurde. Anschließend stellte er selbst einen Fall vor. Wir setzten die Reise samstags fort mit Fallvorstellungen von Thomas Litz und Frank Dirkopf, beide wurden von Rosine Perelberg („Freudian Group“) besprochen.

Am Nachmittag setzten wir zur Zwischenlandung im Sigmund-Freud-Museum an. Einige erhielten dort sogar eine sehr individuelle Führung nach Museumsschluss. Für den bald in den Kinos erscheinenden Film „Freuds Last Session“ wurde eine detailgetreue Nachbildung von Freuds Couch und Sessel erschaffen. Besuchende sind eingeladen, diese zu erproben. Beide Stücke wirkten so echt, dass Ehrfurcht aufkam als einige die Gelegenheit nutzen und sich auf „Freuds“ Couch legten. Die Besetzung von „Freuds“ Platz dagegen wagten nur wenige männliche Kollegen, den Frauen erschien eine hübsche Handtasche als Platzhalter auf „Freuds“ Sessel dagegen angenehmer. Der Wandel der Zeit ließ sich vor allem an der Kürze der Couch spüren: Die Füße hingen über und der Teppich kratzte ein wenig.  

Nach dieser sinnlichen Erfahrung zog Don Campbell uns mit seinem Ansatz in den Bann, die Protagonisten und Protagonistinnen des zuvor geschauten Films „The Banshees of Inisherin“ auf seine Couch zu legen. Umtrunk und Buffet in Freuds Garten machten den Abend rund.

Sonntag setzten wir unsere Reise mit einer Fallvorstellung von Christiane Bakhit fort, diskutiert von Helen Johnston („Independent Group“), die das erste Mal dabei war. Sie zeigte sich als Winnicott-Expertin und stellte anschließend einen eigenen Fall vor. 

Die Vielfalt des klinischen Materials in den drei Tagen war sehr groß, so dass die volle Breite des verfügbaren analytischen Denkens zum Einsatz kam. Dennoch kristallisierte sich über alle Fallvorstellungen - wie es manchmal auf wundersame Weise passiert - ein verbindendes Thema heraus: Die Notwendigkeit, unser analytisches Instrument ein Arbeitsleben lang immer wieder zu stimmen und dafür die Resonanz von anderen zu benötigen. Die Untersuchung von Trennungen und der eigenen Gegenübertragung ist ein alter Hut, wenn es schematisch und in dieser Form abgedroschen verwendet wird, es ist ein „Old Faithful“ (der alte Getreue, sehr zuverlässiger Geysir in den USA), wenn herausgearbeitet wird, was es ganz genau jetzt für diese zwei Menschen bedeutet. 

Auf diese Weise erlebten wir in London eine gelungene Generativität. Dass diese in besonderer Weise lebendig und wechselseitig ist, wird neben dem gelungenen Format meines Erachtens nach auch durch eine Nebenwirkung des Englischen als Konferenzsprache befördert. Je jünger der analytische Nachwuchs, umso besser ist - im Durchschnitt - das Englisch. (Dieser Effekt wird bestimmt noch anhalten, bis die „Generation Netflix“ übernimmt, die schon als Kinder Filme in Originalsprache schauen.) Das führt dazu, dass von allen Beteiligten, ein ähnliches Maß an Unsicherheit ausgehalten werden muss. Die einen auf Grund der geringeren Erfahrung, sich mit dem eigenen analytischen Denken zu exponieren, die anderen auf Grund der sprachlichen Unsicherheit. Das mündet in einer breiteren Beteiligung und insgesamt lernfreundlichen, fehlertoleranten Atmosphäre, in der man sich gegenseitig aushilft. Und für alle, die Englisch als Konferenzsprache bisher als unüberwindbare Hürde erlebt haben, sei noch gesagt: Es ist erstaunlich wie überschaubar das fachspezifische Vokabular ist. „Was heißt noch mal Gegenübertragung?“ „Countertransference“, bekommt man dann sicher vor Ort zugetuschelt und „Trennung?“, „Separation“ tönt es gleich aus drei Richtungen.

Dieser Geist der Konferenz war ganz in Frau Klinckworts Sinne, sie hätte sich bestimmt gefreut, uns so zu sehen.

Sabrina Bergner, Berlin

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