DPG-Jahrestagung 2018 in Hamburg

von DPG

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Wir treffen zunehmend auf Menschen mit aktuellen Kriegs- und Fluchterfahrungen, oder hören davon. Über die Medien erreichen uns erschütternde Berichte und Bilder von in Not geratenen oder ertrunkenen Boots-Flüchtlingen, den Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern, von Krieg und Terroranschlägen. Die Auswirkungen von Terrorgefahr und Radikalisierung verbreiten Angst und Verunsicherung in der Gesellschaft, führen zu dem Wunsch nach mehr Sicherheit und oft zur Suche nach einfachen Antworten. Rückzugswünsche auf das Nationale und Lösungsvorschläge wie Zäune und Schließung von Grenzen stehen im Gegensatz zu der Erkenntnis, dass heute die gesamte Welt der Bezugsrahmen unserer Existenz ist, dass nicht nur Flucht und Vertreibung sondern auch deren Ursachen beachtet werden müssen. Angesichts des Erstarkens von Fundamentalismus und der Einschränkung demokratischer Werte bewegt viele die Furcht, unsere Gesell-schaft könne hinter für sicher gehaltene demokratische Standards zurück fallen. Auch wir und unsere PatientInnen empfinden diese Angst und Gefühle der Überwältigung, die Auseinandersetzung und Reflexion erfordern. Daher möchten wir uns auf der Jahrestagung 2018 den Hintergründen des Traumatischen zuwenden, über unsere Erfahrungen nachdenken und ihre Auswirkungen auf unsere analytische Praxis ausloten. 

'Was macht ein Trauma zum Trauma?' Der Begriff wird oft inflationär gebraucht und wird zum Synonym für Schrecken jeder Art, verliert so seine genaue Bedeutung und Tiefenschärfe. Wir möchten einer verdinglichten Verwendung des Trauma-Begriffs entgegen wirken und die Aufmerksamkeit auf die jeweils individuelle Traumatisierung und auf die dyna-mischen und reorganisierenden Prozesse im Individuum lenken (Varvin, EPF 2017). Freud schrieb in seinen Studien über Hysterie (1895): „Wir müssen viel mehr behaupten, dass das psychische Trauma, respektive die Erinnerung an dasselbe, nach Art eines Fremdkörpers wirkt, welcher noch lange Zeit nach seinem Eindringen als gegenwärtig wirkendes Agens gelten muss.“ Wie begreifen wir heute traumatische Erfahrungen? Als das Innere überwältigende äußere Ereignisse? Als kumulatives Versagen einer Halt gebenden Umwelt (Winnicott) in der kindlichen Entwicklung? Als inneres Trieb- und Konfliktgeschehen? Als unbewusste transgenerationale Weitergabe? 

Häufig verwendete Metaphern für Traumatisches sind der Schatten, ein Raum für die dunkle Seite unserer Emotionen, oder die Krypta (Abraham/Torok) als verborgener Raum der Verkapselung, oder Räume, in die die Vergangenheit sich teleskopartig (Faimberg) hinein schiebt. Diese Metaphern nehmen ein verändertes Erleben von Raum und Zeit auf, von persönlicher Zeitlosigkeit oder einer Schädigung von „Zeitbegriff und zeitbezogener Gedächtnisfunktion“ (Kaplan). 

Wir fragen uns: Wie verweben sich innere und äußere Realität? Wie diskutieren wir die noch immer aktuelle Kontroverse zu Trauma und Konflikt heute? Verstehen wir Freud so, dass er die 'Verführungstheorie' als Irrtum aufgegeben hat und mit dem Triebmodell die psychoanalytische Theorie begründete, indem er psychische Realität, Ödipuskomplex und die ubw Phantasie in den Mittelpunkt stellte? Oder folgen wir den Überlegungen von Grubrich-Simitis u.a., dass Freud immer wieder beide zu verbinden suchte und „wir zwei sukzessiv entstandene, wechselseitig komplementäre Versionen von Freuds ätiologischer Theorie vor uns (haben): die eine, das Trauma-Modell, akzentuiert die augenscheinlichen Außenwelt-Faktoren, die andere, das Trieb-Modell, rückt die unsichtbaren Innenwelt-Faktoren in den Brennpunkt der Aufmerk-samkeit“? (Grubrich-Simitis,2007) 

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das Verständnis von Erinnerung, innerer Wahrheit, Wiederholungszwang und der Bedeutung von Nachträglichkeit? Setzen wir den Schwerpunkt darauf, dass der Symbolbildungsprozess innerhalb 

des Übertragungs-Gegenübertragungsgeschehens stattfinden muss, wo Traumatisches im Durcharbeiten wiederholt werden muss? Halten wir Rekonstruktionsarbeit für sinnvoll oder für ineffizient, weil nur mit dem expliziten Gedächtnis verknüpft? Finden wir den Vorwurf zutreffend, dass PsychoanalytikerInnen die schädigende Wirkung realer Traumen nicht ernst genug nehmen? Oder würden wir antworten, dass „sie sich seit Freud de facto keineswegs nur mit pathogenen Phantasien, mit Träumen und Triebschicksalen befaßt, sondern immer auch mit den unmittelbaren und mittelbaren Folgen von Traumatisierungen durch von außen kommende Reizüberflutung“ (Grubrich-Simitis, 2007). Welche Bedeutung kommt dabei der Anerkennung und Zeugenschaft des Psychoanalytikers zu, dass „das Grauen stattgefunden hat“? (Kreuzer-Haustein, EPF 2017) 

Wir versuchen zu verstehen, wie die Spur der Erinnerung sich mitteilt, z.B. durch Reinszenieren des Traumas, durch Enactments oder durch Einschreiben in den Körper in Form von psychosomatischen Krankheiten und wir fragen uns, wie wir uns diese nachträglichen Prozesse vorstellen können. Sind es Umschriften (Quindeau) des Traumas, wenn PatientInnen wie eine Chimäre (Durban) ihr Denken, ihre Sprache, ihre Erinnerung angreifen oder ihnen Teile ihres Körpers oder der gesamte Körper fremd sind? Sind traumatische Erfahrungen sagbar oder nicht? Wie können wir PatientInnen begegnen, deren sinnstiftende Symbolisierungsfähigkeit geschädigt oder zerstört ist? Wie ermöglichen wir in Psychoanalysen Erzähl-barkeit und Verwandlung in ein Narrativ? Welche Art von Deutungen führt zu transformierenden Prozessen? Welche Bedeutung haben aufnehmendes Hören und eine Anerkennung der traumatischen Erfahrung? 

Zuhören und Aufnehmen stellen auch für uns PsychoanalytikerInnen eine Herausforderung dar. Es „macht erforderlich, dass der Analytiker bereit und fähig ist, sich gemeinsam mit dem Patienten in Bereichen der Selbsterfahrung und der Erinnerung aufzuhalten, die auf schmerzhafte Weise von Bedeutungslosigkeit gekennzeichnet und manchmal auch von blankem Entsetzen erfüllt sind“ (Varvin, EPF 2017). Nicht nur unsere PatientInnen, auch wir PsychoanalytikerInnen laufen immer wieder Gefahr, uns aus inneren Gründen der beschwerlichen Aufgabe des Analysierens zu entziehen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns, wenn Sie sich von den oben genannten Fragen und Überlegungen zu diesem weiten Spannungsfeld anregen lassen und einen Beitrag anbieten. Bitte senden Sie bis zum 15. September ein Abstract Ihres Vortrags an Gudrun Wolber <gudrunwolber@t-online.de>. AusbildungskandidatInnen der DPG möchten wir herzlich einladen, sich um den mit 1000.- Euro dotierten Gaetano Benedetti Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit zum Tagungsthema zu bewerben. Für diese Arbeit wird im Nachmittagsprogramm der Tagung ein Vortragsplatz reserviert. Bitte entnehmen Sie weitere Informationen hierzu der DPG-Homepage. 

Mit herzlichen kollegialen Grüßen 

Ingo Focke (Vorsitzender der DPG) | Gudrun Wolber (für die Vorbereitungsgruppe)

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