Kasuistisch-technische Konferenz Brüssel 2022

von DPG

Mit der Begrüßung von Frau Klinckwort, „dass wir uns nun endlich wieder drücken und küssen können“, waren wir indirekt schon ins Thema des Wochenendes eingeführt. So beschäftigten wir uns am Freitagabend mit dem von Freud 1915 verfassten Text „Triebe und Triebschicksale“. Herr Garrels referierte uns eingehend den nicht leicht verständlichen Text und regte dadurch eine kontroverse Diskussion an. Einige erlebten den Text als sperrig, andere dagegen eher als technisch genau und detailliert. Vor allem zeigten sich Unterschiede in der Auffassung, ob man mit dem Trieb nun alles Grundlegende psychoanalytisch erklären könne oder ob Freud die Bedeutung der inneren Objekte und der Beziehung vernachlässigt habe. Die Frage, ab wann von einer, wenn auch nur teilobjekthaften, Beziehung ausgegangen werden kann oder ob das Objekt schon immer mitgedacht werden muss, wurde unterschiedlich angesehen.

Letztlich wurde größtenteils die Vorstellung geteilt, dass Freud, vermutlich im Wissen über die Bedrohung der Psychoanalyse, bemüht war, ihr einen eigenen Platz zu sichern. In dem Sinne schien er bemüht neben dem Körperlichen und Seelischen, den Trieben einen ganz eigenen Stellenwert einzuräumen, ihn nämlich dort zu verorten, wo die Polarität erst entsteht.      

Am Samstag ging es dann an die Fallarbeit. Herr Ehl aus Würzburg stellte eine vierstündige Behandlung und Frau Strammnitz aus Berlin eine dreistündige Behandlung vor. In beiden Behandlungen verdeutlichten sich hinter der Arbeit an der Beziehung die Selbsterhaltungstriebe, die im starken Widerstreit mit destruktiven Kräften standen. Sehr klar konnten wir vor allem in der negativen Übertragung erleben, wie stark sich diese Triebkräfte vermitteln und uns herausfordern.  So entstand in der Gruppe eine anregende Diskussion, wie man Patienten versteht und mit ihnen in Abhängigkeit der theoretischen Ausrichtung spricht. Dabei wurde sich bspw. auf Klein und Bion bezogen. Die Supervisoren Eva Schmid-Gloor und Serge Frisch regten mit ihrem besonderen Wissen der französischen und freudianischen Psychoanalyse zum weiteren Nachdenken an.   

Am Sonntagvormittag stellte dann Herr Frisch eine sehr lange Behandlung vor, die uns seine französisch geprägte analytische Haltung veranschaulichte. Besonders deutlich war im Kontrast dazu zu sehen, wie beschränkend eine kassenfinanzierte Psychoanalyse von vornherein ist. Eine ethische Frage zeichnete sich dadurch ab, inwiefern eine Behandlung nach der Symptomreduktion zu Ende ist oder der weitere Bearbeitungswunsch des Patienten das ausschlaggebende Maß ist. Eine Gefahr für die Behandler liegt somit auch darin, sich selbst zu sehr am Symptom zu orientieren und die analytische Haltung zu verlieren, indem er/sie dann eher psychotherapeutisch behandelt oder psychiatrisch kategorisiert. 

Zum Abschied wurden Frau Rink und Herrn Haustein für ihre jahrelange Tätigkeit in der AG psychoanalytische Kasuistik gedankt, deren Nachfolge nun Frau Fritzsche und Herr Garrels antreten.

Die nächste KtK in Brüssel wird vom 17.-19.11.2023 stattfinden. 

Ulrike Seelig Wiesbaden, den 05.12.2022

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