Leserbrief zum Beitrag von Marianne Leuzinger-Bohleber

von DPG

Leserbrief zu Marianne Leuzinger-Bohleber in der FAZ vom 11.11.2021 von Klaus Grabska (Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft)

Hamburg, 18.11.2021

In Ihrem beeindruckenden Plädoyer für den Erhalt der Psychoanalyse an der Frankfurter Universität anlässlich der Neubesetzung der Professur von Tilmann Habermas legt Frau Professor Leuzinger-Bohleber überzeugend dar, in welchem innigen Zusammenhang die Psychoanalyse als psychologische Wissenschaft und psychotherapeutische Behandlungsmethode mit einem Aufklärungsdenken verbunden sein kann, das für unsere Demokratie und für Fragen, wie man deren Gefährdung begegnet, eine große Bedeutung hat.

Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft würde es außerordentlich bedauern, wenn es für diese einzigartige und international anerkannte Konstellation an der Universität Frankfurt und im Fachbereich Psychologie in Frankfurt keinen Platz mehr geben könnte. Es würde einen weiteren Schritt der Marginalisierung bedeuten und einem verbreiteten Interesse von Studierenden an der Psychoanalyse als Wissenschaft und Psychotherapie widersprechen, die auf den Beruf des Psychotherapeuten qualifiziert vorbereitet werden wollen.

Besetzungen von Hochschulprofessuren sind immer auch wissenschaftspolitische Entscheidungen. Eine verfahrensunspezifische Ausschreibung verdeckt unter herrschenden Bedingungen, der nahezu 100 % Besetzung von Hochschulprofessuren durch Verhaltenstherapeuten und dem damit verbundenen personellen und finanziellen Lehr-, Forschungs- und akademischen Qualifizierungspotential an Promotionen und Habilitationen, die Fortschreibung des Ausschlusses von Psychoanalytikern aus der Psychologie an den Universitäten, die einer unausgesprochenen, aber dennoch intendierten Verunmöglichung der Akademisierung von Psychoanalyse gleichkommt.

Da diese exkludierende Wissenschaftspraxis eine jahrzehntelange Tradition hat, ist es nicht verwunderlich, dass sich keine psychoanalytische Wissenschaftskultur und keine Gemeinschaft von psychoanalytisch orientierten Wissenschaftlern, Professoren und Forschern in der universitären Psychologie herausbilden konnte und herausbilden kann. Auf diesem Hintergrund von Chancengleichheit bei einem Besetzungsverfahren zu sprechen, heißt die Menschen für dumm zu verkaufen und zeugt wenig von einem der Wahrheit und Aufrichtigkeit verpflichteten wissenschaftlichen Ethos. Auch die Hochschulautonomie in diesem Falle anzuführen, führt in die Irre, da diese im Fall der universitären Psychologie zu einer wissenschaftlichen Monopolisierung durch die Verhaltenstherapie anstatt zu einer wissenschaftlichen Vielfalt geführt hat, in der der Psychoanalyse ein würdiger Platz gebührt.

Hierfür wäre die Beibehaltung einer psychoanalytischen Hochschulprofessur am Fachbereich Psychologie der Universität Frankfurt und darüber hinaus auch die Schaffung weiterer psychoanalytischer Hochschulprofessuren an den psychologischen Fachbereichen der Universitäten ein allfälliger Schritt. Die Reform der Psychotherapieausbildung und das neue Studium der Psychotherapie bieten hierfür ausgezeichnete Möglichkeiten. Wer es ernst mit der Wissenschafts- und Paradigmenvielfalt und einem gleichberechtigten akademischen Wettbewerb meint, würde wohl nicht darum herumkommen und auf diese Weise die Psychologie als eine Wissenschaft fördern wollen, die nicht auf Ausgrenzung beruht.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Grabska
Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft

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