Stellungnahme der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG)

von DPG

Stellungnahme der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vom 3.1.2019

Am 3.1.2019 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung (Psychotherapeuten­ausbildungs­reformgesetz – PsychThGAusbRefG) vorgelegt und in einem Begleitschreiben explizit betroffene Verbände zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Um weiterhin eine hohe Qualitätsgarantie in der heutigen heilberufsübergreifenden psychotherapeutischen Versorgung gewährleisten zu können und eine entsprechend kompetente Ausbildung zu ermöglichen, möchte die DPG als Psychoanalytischer Fachver­band auf einige kritische und zu überarbeitende Punkte im vorliegenden Gesetzentwurf hinweisen:

1.
Mit der neuen Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ oder „Psychotherapeut“ und dem Hinweis, dass Ärzte diese Berufsbezeichnung mit dem Zusatz „ärztlich“ verwenden dürfen, erfolgt nicht nur eine Ungleichbehandlung beider Berufsgruppen und ein Aufgeben eines ganzheitlichen Versorgungsverständnisses, sondern auch eine Irreführung der Patienten. Im Interesse des Patientenschutzes muss die jeweilige fachliche Expertise erkennbar bleiben, die Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin“ oder „Psychotherapeut“ sollte für alle in den wissenschaftlich anerkannten Verfahren psychotherapeutisch ausgebildeten Berufsgruppen uneingeschränkt verwendet werden können.

2.
Die Hervorhebung, dass die psychotherapeutische Tätigkeit an die wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen und auf Evidenz geprüften Verfahren gebunden ist, ist zu begrüßen, da hierdurch die Qualitätssicherung in der psychotherapeutischen Versorgung weiterhin gewährleistet bleibt. Im Text bedarf es jedoch einer Präzisierung, statt „Therapie­formen“ sollte der im alten Gesetzestext verwendete Begriff „Verfahren“ als bewährter konzeptueller Rahmen für die Anwendung von Methoden und Techniken beibehalten werden. Ebenso muss sich die Evidenzprüfung auf die Prüfung im Wissenschaftlichen Beirat beziehen. Eine Evidenzprüfung ohne wissenschaftliche Anerkennung der Therapieform für deren Anwendung durch der Wissenschaftlichen Beirat entspricht nicht den bisherigen Qualitätsstandards.

3.
Unsere von allen Verbänden geteilte Forderung nach einem Praktischen Jahram Ende des Masterstudiums und vor Erlangung der Approbation erhalten wir aufrecht. Allein durch die jetzt vorgesehenen „Berufspraktischen Einsätze“ kann ein hohes und patientengerechtes Ausbildungsniveau mit all den genannten erforderlichen Qualifikationen nicht erreicht werden. Die Praxiszeit muss eine klinische Ausrichtung haben, eine Approbation ohne Praktisches Jahr ist fachlich nicht zu verantworten.

Wir begrüßen, dass der praktische Teil des Studiums in Kooperation durchgeführt werden kann. Da die Hochschulen in ihrer psychotherapeutischen Ausrichtung eine Vermittlung aller wissenschaftlich anerkannten Verfahren nicht sicherstellen können, ermöglichen es bestehende Ausbildungsinstitute, auch die der DPG, Einblick in die an der Hochschule nicht fachkundig vertretenen Psychotherapieverfahren zu gewähren und deren Inhalte in praktischer Anschauung und Erprobung durch in der Fachkunde Qualifizierte zu vermitteln. Somit können berufspraktische Erfahrungen in der Regelversorgung erworben und als Entscheidungshilfe für das Vertiefungsgebiet in einer postgradualen Weiterbildung genutzt werden.

4.
Wir fordern, alle wissenschaftlich anerkannten und in der Versorgung relevanten Psychotherapieverfahren auch im Studium angemessen und fachkundig zu lehren und in den Ausbildungszielen sicherzustellen sowie als verpflichtendes Angebot in die berufs­quali­fizierenden Praktika mit einzubeziehen.

Für die inhaltliche Ausgestaltung der Approbationsordnung, die nur in Entwurfsform vor­liegt, müssen alle Fachverbände hinzugezogen werden, damit alle wissenschaftlich aner­kannten und in der Versorgung relevanten Psychotherapieverfahren gleichberechtigt Berücksichtigung finden und abgebildet werden. Dies dient nicht nur einer koordinierenden Gestaltung von Psychotherapiestudium und psychotherapeutischer Weiterbildung, sondern auch den Absolventinnen und Absolventen als Entscheidungshilfe für die Art der an­schließenden Weiterbildung. Eine Anwendung heilkundlicher Psychotherapie ohne Verfah­rensbezug gibt es nicht.

Die erfahrenen und in der Fachkunde ausgebildeten Dozentinnen und Dozenten der jetzigen Ausbildungsinstitute müssen bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Studiums und der Approbationsordnung hinzugezogen werden.

5.
Begrüßt wird, dass Selbstreflexion Bestandteil der Ausbildung sein soll, allerdings müssen Dauer und Ausführungen noch überdacht und spezifiziert werden. Die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und Selbstreflexion ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer jeden Behandlung, denn ein hilfreiches Verstehen der Beziehungsdynamik mit den jeweiligen Patienten fordert einen ständigen persönlichen Reflexionsprozess, dessen Grundlage die eigene Selbsterfahrung ist. Hier erleben die Studierenden als Betroffene Methode und Wirkung des angewendeten Verfahrens und die damit verbundenen Gefühle und auch hinderlichen Widerstände an sich selbst. Diese Erfahrungen der Selbstreflexion können nicht im Rahmen eines Universitätsstudiums vermittelt und nicht, wie angedacht, der hochschulischen Lehre zugeordnet werden. Im Gegenteil, sie sollte in einem von der Hochschule unabhängigen Rahmen stattfinden und von Selbsterfahrungsleitern durchgeführt werden, die in der jeweiligen Fachkunde ausge­bildet wurden.

6.
Die Zulassung von Modellstudiengängen, die den zusätzlichen Erwerb von Kompetenzen für psychopharmakologische Maßnahmen vorsieht, ist nicht vertretbar. Die Verordnung und Überprüfung der Wirkung pharmakologischer Maßnahmen verlangt weitreichende medizinische Kenntnisse, die in dem Rahmen nicht vermittelbar sind und die Sicherheit der Patienten erheblich gefährden. Die meisten Verbände erkennen die originär ärztliche Kompetenz in der Verordnung von Arzneimitteln an und lehnen den Modellstudiengang ab.

7.
Im Gesetzentwurf ist weiterhin vorgesehen, dass nach der Approbation der erfolgreiche Abschluss einer Weiterbildung in einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren für die Eintragung in das Arztregister erforderlich ist. Die Weiterbildung soll mit festem Anstellungsvertrag und Assistentengrundgehalt erfolgen, jedoch ist die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung allein aus den Vergütungen der von den Weiterbildungs­teilnehmern erbrachten Leistungen nach Berechnungen nicht ausreichend. Die DPG begrüßt, dass die Institute als wesentliche Träger der bisherigen Ausbildung auch für die künftige ambulante Weiterbildung zuständig sind und ihre Ambulanzen für die ambulante psychotherapeutische Behandlung weiterhin ermächtigt bleiben, doch wird das ohne eine Zusatzfinanzierung und eine dem stationären Bereich vergleichbare Vergütung der ambulanten Weiterbildung nicht gesichert sein. Gefordert werden angemessene Rahmen­be­dingungen für die Vergütung der Weiterbildungsteilnehmerinnen und –teilnehmer und der zur Weiterbildung Befugten für ihre Qualifizierungsleistungen. Die Ambulanzen haben eine Qualifizierungsaufgabe, denn nur mit einer guten Weiterbildung kann auch eine gute Versorgung gewährleistet werden.

Zudem muss gesichert sein, dass in die Weiterbildungsordnungen nur die vom Wissen­schaftlichen Beirat anerkannten Psychotherapieverfahren aufgenommen werden. Auch die Implikationen für die ärztliche psychotherapeutische Weiterbildung müssen geklärt werden.

Um weiterhin eine qualitativ hochwertige, multidisziplinäre und heilberufsübergreifende Zusammenarbeit in der Versorgung psychisch Kranker und eine qualitätsgesicherte Psychotherapieforschung zu gewährleisten, müssen der vorliegende Referentenentwurf inhaltlich gründlich überarbeitet und weitergehende Finanzierungsvorschläge gemacht werden.

Beate Blank-Knaut

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