Stellungnahme der DGPT
von DPG
Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Tiefenpsychologie, Psychosomatik und Psycho-therapie e.V. (DGPT) vertritt die Mitgliederinteressen von über 3.500 Psychoanalytiker:innen und tiefenpsychologisch fundiert tätigen Psychotherapeut:innen, sowie die Interessen von derzeit 62 psychoanalytischen bzw. tiefenpsychologisch ausgerichteten Aus- und Weiterbil-dungsinstituten. Außerdem ist sie der Dachverband für die Fachgesellschaften DPV, DPG, DGIP und DGAP, sowie des Netzwerkes der Freien Institute für Psychoanalyse und Psycho-therapie (NFIP).
Eigene Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche
Die DGPT begrüßt den vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erstellten Referenten-entwurf zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) insbesondere mit Blick auf die Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Es wäre sehr zu wünschen, dass durch diese Definition einer separaten Leistungserbringer-gruppe bei der Bedarfsplanung vor allem die wohnortnahe ambulante Versorgung von Kin-dern und Jugendlichen erleichtert wird und es zu einem Abbau der langen Wartezeiten kommt.
Schließlich greift der Entwurf des GVSG das schon 2021 im Koalitionsvertrag genannte Ziel der Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen nun endlich auf. Kinder und Jugendliche sind besonders belastet durch die vielfältigen aktuellen Krisen, insbesondere durch die speziellen Folgen der Covid-Pandemie, durch die sie in sen-siblen Phasen der psychischen Entwicklung beeinträchtigt wurden und werden.
Hinsichtlich der Regelung der psychotherapeutisch-ärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen gemäß § 101 Abs. 4 SGB V fällt jedoch auf, dass diese nur eine Kann-Bestim-mung enthält, anstatt der Sicherstellung eines konkreten regionalen Versorgungsanteils, der den überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzt:innen vorbehalten ist. Die in den letzten Jahren bewährte gesetzlich fixierte Mindestquote von 25 % für psycho-therapeutisch tätige Ärzt:innen hat dazu geführt, dass in allen Bedarfsplanungsregionen psy-chotherapeutisch tätige Ärzt:innen an der Versorgung mit entsprechendem Anteil mitwirken können. Die im Referentenentwurf vorgesehene Kann-Regelung weicht von dieser Systema-tik ab. Dadurch wird die Gruppe der Kinder und Jugendlichen im Vergleich zu den Erwachse-nen schlechter gestellt – insofern die Entscheidungsgewalt dem Gemeinsamen Bundesaus-schuss (G-BA) übereignet wird. 2
Der G-BA seinerseits wird für die Umsetzung der Gesetzanpassung einige Zeit benötigen, ob-gleich der Gesetzgeber eine Frist für die Umsetzung vorgibt. Ob der G-BA dieses Tempo um-setzen kann, ist angesichts der sicher aufwändigen Vorarbeiten fraglich.
Es wäre sicher auch nötig, sie nach der Veröffentlichung in der Fachöffentlichkeit auch ange-messen zu hinterfragen.
Aber auch wenn man eine zügige Umsetzung unterstellt, auf die DGPT dringt, dürfte es sehr ambitioniert sein, eine ausreichende Anzahl Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeut:innen für die Besetzung der neuen Kassensitze zu finden. Zukünftig dürfte das noch schwerer wer-den, da die Bundesregierung in der Neufassung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) 2019 den Zugang von Fachhochschulabsolvent:innen zum Beruf des/der Fachpsychothera-peut:in für Kinder und Jugendliche gestrichen hat. Da zusätzlich die Finanzierung der Weitbil-dung von neu approbierten Absolvent:innen des neuen Psychotherapiestudiums nicht gesi-chert ist, werden absehbar auch keine neuen Psychotherapeut:innen ihre Weiterbildung als Fachpsychotherapeut:in für Kinder und Jugendliche beginnen können. Der Mangel wird sich somit erkennbar fortschreiben und bleiben.
Keine gesetzliche Regelung für die Finanzierung der ambulanten und stationären Weiter-bildung von approbierten Psychotherapeuten
Die DGPT möchte ihre große Irritation darüber ausdrücken, dass das BMG die Chance, in die-sem Versorgungsgesetz die längst überfällige Finanzierung der zukünftigen Fachpsychothera-peuten endlich zu regeln, nicht angeht.
Aufgrund der unklaren Finanzierungsregelung der Weiterbildung fehlen im ambulanten und stationären Bereich die Weiterbildungsstellen zur Qualifizierung der neu approbierten Psy-chotherapeuten nach dem neuen PsychThG. Ohne gesetzliche Grundlage fehlen die finanzi-ellen Mittel, damit Institute und ihre Ambulanzen, Kliniken und ggf. Praxen genügend Wei-terbildungsstellen schaffen können. Somit können nur Absolvent:innen ihre Ausbildung als Psychologische Psychotherapeut:in bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:in nach altem Recht beginnen, die ihr Studium vor dem Stichtag 01.09.2020 begonnen haben. Die Absolvent:innen der neuen Psychotherapie-Studiengänge können die „alte“ Ausbildung hin-gegen nicht mehr durchlaufen. Angehende Psychotherapeut:innen leisten bereits in ihrer Aus- bzw. Weiterbildung einen entscheidenden Beitrag zur psychotherapeutischen Versor-gung in den Kommunen. Ohne eine gesetzliche Regelung zur Förderfinanzierung der Weiter-bildung wird schon in den nächsten Jahren ein erheblicher Versorgungsengpass entstehen.
Die Vorschläge wurden dem BMG bereits mehrfach von unterschiedlichen Institutionen und Personen des Gesundheitswesens vorgelegt, ohne jedoch entsprechende Berücksichtigung gefunden zu haben. Angesichts des anhaltend hohen Bedarfs an Psychotherapie kann es sich das Gesundheitssystem nicht leisten, wenn mehrere Jahrgänge approbierter Psychothera-peut:innen nicht zur Fachpsychotherapeut:in weitergebildet werden können. 3
Keine Modifizierung der Regelung zum Antrags- und Gutachterverfahren in § 92 Abs. 6a SGB V
Im Hinblick auf das Antrags- und Gutachterverfahren für Psychotherapie schlägt die DGPT bereits jetzt eine Modifizierung vor. § 92 Abs. 6a SGB V regelt die Aufhebung des Antrags- und Gutachterverfahrens durch den GBA nach Einführung eines Qualitätssicherungsverfah-rens gemäß folgender Bestimmung: „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Rege-lungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Quali-tätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.“ Dieses Verfahren wird in den nächsten Jahren in NRW erprobt.
Fachleute gehen davon aus, dass das aktuell vorgeschlagene Verfahren keine tragfähige Grundlage für die Etablierung eines sachgerechten Qualitätssicherungssystems darstellen wird. Deshalb erscheint es nach Auffassung der DGPT und vieler Partnerverbände in den Gremien der Gemeinsamen Selbstverwaltung notwendig und dringend geboten, die Erpro-bung ergebnisoffen zu gestalten und von einer Abschaffung des bewährten Antrags- und Gutachterverfahrens zu entkoppeln. Hintergrund ist, dass das bisherige Verfahren nicht nur die Qualität der Richtlinienpsychotherapien sichert, sondern auch eine Vorab-Wirtschaftlich-keitsprüfung darstellt. Die im Antragsverfahren genehmigten Stundenkontingente setzen ei-nen klaren Rahmen für die Psychotherapien, der sowohl für die Patient:innen als auch für Psychotherapeut:innen von entscheidender Bedeutung ist. Die bei einem Wegfall drohenden Regressverfahren würden auch für die Krankenkassen erheblich steigende Verwaltungsaus-gaben bedeuten.
Die DGPT empfiehlt daher eine Anpassung im Rahmen des GVSG. Wir schlagen dabei fol-gende Formulierung im § 92 Abs. 6a SGB V vor: „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren zu überprüfen, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.“