Stellungnahme der DPG zum aktuellen Kabinettsentwurf des TSVG

von DPG

Es darf keine gestufte und gesteuerte Versorgung für Menschen mit psychischen Erkrankungen geben.

Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) lehnt den Kabinettsentwurf der Bundesregierung zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in der vorliegenden Form ab, insbesondere den neu formulierten Paragraphen (§ 92 Abs. 6a SGB V), der eine „gestufte und gesteuerte Versorgung für Menschen mit psychischen Erkrankungen“ fordert und einen dirigistischen Eingriff in den Praxisalltag bedeutet.

Die DPG unterstützt daher gemeinsam mit Tausenden weitere Ärztlichen, Psychologischen und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten die von rund 200 000 Personen mitunterzeichnete Petition, in der der Gesetzentwurf zum TSVG abgelehnt wird.

Das Erstzugangsrecht mit dem freien Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung und die freie Wahl der Behandler müssen erhalten bleiben.

Begründete Bedenken 

  • Die erste Begegnung zwischen Patient/in und Psychotherapeut/in ist von wesentlicher diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Bedeutung, die durch vorangehende Kontakte erheblich ein­geschränkt wird.
  • Eine vorgeschaltete Überprüfung der psychotherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit führt zu schädlichen Verzögerungen und behindert die notwendige Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Solche Hürden schaden psychisch kranken Menschen, denn sie erschweren und gefährden den Zugang zur Psychotherapie.
  • Durch steuernde Maßnahmen wird die Autonomie der Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen eingeschränkt, da sie über die Behandlerwahl und Behandlungsverfahren nicht mehr frei entscheiden können.
  • Durch die geplante Steuerung des Behandlungszugangs wird keinesfalls ein individueller Behandlungsbedarf gewährleistet oder zeitnahe Psychotherapie ermöglicht. Die klinische Erfahrung zeigt, dass der Wunsch und die Fähigkeit sich anzuvertrauen sowie die Psychotherapiemotivation mit der Zunahme von verschiedenen Vorgesprächen und Therapieaufklärungen eher abnimmt und stark verunsichernd wirkt.
  • Auch bei einer vorgeschalteten Behandlungssteuerung bleibt die Verantwortung für die Indikation und Differentialindikation sowie die Passung letztlich bei der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten, die oder der bereit ist, die Behandlung zu übernehmen.
  • Eine zusätzliche Filterung von allen Behandlungen ist fachlich unbegründet und eine unzumutbare Einschränkung der freien Berufswahl. Es bedeutet eine Missachtung der ärztlichen und psychologischen Freiberuflichkeit und entwertet die tägliche psychotherapeutische Arbeitsleistung.

Die DPG weist zudem darauf hin, dass grundsätzliche Versorgungsprobleme durch das Gesetz in seiner jetzigen oder veränderten Form nicht gelöst werden. Durch mehr Reglements können keine Verbesserungen der Versorgung kostenneutral erreicht werden, denn es gilt strukturelle Defizite und Fehlentwicklungen zu überarbeiten und Abhilfe zu schaffen.

Erforderlich ist eine angemessene Bedarfsplanung und deren Umsetzung! Erst eine Neuberechnung der Bedarfszahlen wird Engpässe in der psychotherapeutischen Versorgung mindern und den erforderlichen Bedarf regeln.

Beate Blank-Knaut

Dezember 2018

Zurück