¿Authority? ¿Autorité? ¿Autorität?

29. EPF-Tagung vom 18. - 20. März 2016 in Berlin

 

Die Europäische Psychoanalytische Föderation (EPF), ein Zusammenschluss der psychoanalytischen IPV-Gesellschaft in Europa, hat zu ihrer diesjährigen Jahrestagung zum Thema ¿Autorität? vom 18. - 20. März nach Berlin eingeladen. Die EPF ist in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. 1000 Mitglieder und Ausbildungskandidaten sind gekommen. 

Das psychoanalytisch und politisch komplexe und historisch belastete Thema Autorität, so Serge Frisch, der Präsident der EPF, im Einleitungstext des Programms, "ruft uns unweigerlich den finstersten Abschnitt der europäischen Geschichte ins Gedächtnis". Und er erinnert daran, dass Berlin in den 20-er Jahren ein Ort des Aufbruchs der psychoanalytischen Bewegung gewesen ist. 

 

Peter Gabriel, Dossenheim

EPF-Tagung vom 16.-20.3.2016 in Berlin

Eine Tagung, die mir trotz des Themas „Autorität“ viel gute Laune gemacht hat: Nicht allein wegen des fachlichen Angebots (das kurz zusammenzufassen unmöglich ist - allein die Abstracts umfassen mit den Übersetzungen ins Englische und Französische schon 30 Seiten), sondern ganz besonders wegen der vielen Begegnungen, die möglich wurden. Sicherlich, es gibt eine Reihe großer internationaler Tagungen, die das bieten, aber diese schien mir besonders geeignet, nicht nur alte Kontakte zu pflegen, sondern auch neue zu knüpfen. Vielleicht lag es an den Räumlichkeiten, in denen man sich immer wieder begegnete, oder an der reichlichen Pausenverpflegung; ganz sicher aber waren es die über 1000 Teilnehmer (und damit die bisher größte EPF-Tagung), die aus der ganzen Welt angereist waren, von Australien über Süd- und Nordamerika bis hin zum Nahen Osten, einige osteuropäischen Staaten incl. Russland sowie aus fast allen europäischen Ländern. 

Das Thema „Autorität“ hatte es in sich und regte zu vielen Diskussionen auch im kleinen Kreis an: Auf deutschem Boden über Autorität, ihren Missbrauch und über ihren positiven Gehalt zu sprechen ist eine Herausforderung, die in den Eröffnungsreden der drei Vorsitzenden, dem der EPF (Serge Frisch), der DPV (Gebhard Allert) und der DPG (Ingo Focke) bereits skizziert wurden. (Die Rede von Ingo Focke können Sie ebenfalls unter „Aktuelle Themen“ unserer Homepage nachlesen)

Alle Texte werden demnächst im Bulletin erscheinen. So beschränke ich mich auf einige wenige persönliche Eindrücke aus den mit extremer Qual der Wahl ausgewählten vielen kleineren Veranstaltungen.

Russian Oedipus von Alexander Uskov (Moskau) machte die Schwierigkeiten deutlich, denen Psychoanalytiker in autoritären Staaten begegnen, und anschließende Gespräche mit KollegInnen aus solchen Ländern vertieften das noch. (Gerne gebe ich bei dieser Gelegenheit einen mir bis dahin unbekannten Literaturhinweis weiter, den ich David Bell, London verdanke: Joy Damousi (Editor), Mariano Ben Plotkin (Editor) Psychoanalysis and Politics: Histories of Psychoanalysis Under Conditions of Restricted Political Freedom“, 2012)

Antisemitismus von Eran Rolnik, Tel Aviv stellte den Versuch dar, die Formen des Antisemitismus  und deren allgemeine Funktion im psychischen Haushalt darzustellen, die uns jenseits der katastrophalsten Ausformung, nämlich der Vernichtung der Juden, im Alltag begegnen Dies stieß, obwohl umsichtig gemacht und anhand einer kleinen persönlichen Begebenheit vorsichtig geschildert, auf ein mir dennoch nachvollziehbares Unverständnis besonders bei einer Teilnehmerin, die wohl aus Angst vor brutalem Antisemitismus bis ans andere Ende der Welt geflohen zu sein schien. (Leider, aber vermutlich auch bezeichnenderweise ist es mir in diesem Fall nicht gelungen, sie später wiederzufinden und sie näher dazu persönlich zu fragen)

In ihrem Vortrag The Value of the Traditional Freudian-Kleinian Approach to Authority and Responsibility: Implications for the Analytic Situation sprach sich Rachel Blass, wie ich finde, gut begründet  gegen einen heute vorherrschenden Relativismus aus und plädiert für die Beibehaltung einer gerechtfertigten Autorität des Analytikers/der Analytikerin in den Deutungen. 

Die round table discussion zum Verhältnis von Autorität zu Terror und Gewalt war mit einer Musikwissenschaftlerin, die anhand einer Aufnahme den autoritären Stil des Dirigierens von Toscanini demonstrierte, sowie Hermann Beland und Howard Levine als Analytiker und demPsychologen Ahmad Mansour besetzt, dem inzwischen durchs Fernsehen bekannten Autor von „Generation Allah“(Diskussionsleitung Nick Temple). Sie fing schon lange vor deren Beginn an: Sicherheitskräfte checkten den Raum, um Herrn Mansour zu schützen. So waren wir konkret aus der Welt des Geistes und der Reflexion unmittelbar in eine Welt brutaler körperlicher Bedrohung versetzt. Ob das das Gespräch behindert hat? Jedenfalls kam es nicht so recht zustande, wie Beland zwischenzeitlich bemerkte. Oder lag es an den Sesseln, die mehr für eine Talkshow als für ein wissenschaftliches Panel oder eine politische Diskussion über brisante Themen geeignet erschienen? Gemeinsam mit dem Publikum gab es aber doch noch ausreichend Anregungen, um über das Thema weiter in Ruhe und Sicherheit nachdenken zu können.

Schließlich das Special Panel „Meet the Societies“ mit Ludger M. Hermanns, Regine Lockot und den beiden Vorsitzenden von DPV und DPG unter dem Titel „From splitting and rapprochement to cooperation“. Viele interessante Details aus der Geschichte wurden auch denjenigen erneut klar, die sich mit dem Thema schon ausführlich beschäftigt haben. Zeitzeugen wie z.B. Annemarie Sandler erzählten anschaulich von ihren persönlichen Erinnerungen, z.B. wie und warum es Mitte der 70er Jahre zu der Absage der IPV an die DPV kam, den internationalen Kongress in Berlin stattfinden zu lassen: Zu deutlich spürbar sei damals immer noch die Verleugnung des im deutschen Namen Geschehenen gewesen. Insgesamt jedoch blieb m.E. in dem Panel viel zu wenig Zeit, um weitere Überlegungen zur dritten Phase, nämlich zu der der Kooperation, anzustellen, was ich sehr bedauert habe.

An den Abenden war es möglich, die vielfältigen Kontakte zu pflegen oder das kulturelle Angebot Berlins zu nutzen – oder beides: So gastierten z.B. die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Barenboim gleich nebenan mit Mahlers Neunter, und, obwohl seit langem ausverkauft, gelang es einigen von uns, doch noch eine Karte zu bekommen. Ein unvergesslicher Abend, der mit dem wundervollen „Lebe-wohl“-Motiv endet.

Auch wenn der Abschied dann erst am nächsten Tag nach dem Panel anstand: Er fiel mir nach solch vollen, ereignisreichen und bewegenden Tagen schwer. Und was den Tagungsort betrifft stellte eine jüdische Teilnehmerin, die auch schon früher in Berlin gewesen war, diesmal zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass sie sich in der Stadt mehr und mehr als Touristin fühlen könne, weil sie spüre, dass die Geschichte in den Denkmälern, Museen und an vielen kleinen Orten Berlins zu verarbeiten versucht werde.

 

 

Lesen Sie die Eröffnungsrede von Ingo Focke, dem Vorsitzenden der DPG, die er wegen der internationalen Zuhörerschaft in englischer Sprache gehalten hat und die auf viel Resonanz gestoßen ist. Die Eröffnungsrede für die DPV, der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung, hielt deren Vorsitzender Gebhard Allert.

 

 

Eröffnung der 29. Tagung der EPF in Berlin  -  Opening Ceremony of the 29. EPF-Conference in Berlin 

Ingo Focke, President of the DPG  - ¿Autorität? ¿Authority?

Dear colleagues, dear friends from all of the regions of Europe, from North America and from Latin America, dear Franziska, dear Serge, dear Jorge, dear Stefano, on behalf of the members of the DPG I have the pleasure to welcome you all in Berlin to this anniversary conference of the EPF.

It is by all means special (extraordinary) to have an international analytic conference in Berlin. Where are we?

This hotel has been the venue of the IPA-Conference in 2007. It is a rather quiet neighbourhood with many embassies around us, with the “Gemäldegalerie” at the back. Everything is newly built. You hardly realise that you are in the centre of a vivacious and bussing city. The Potsdamer Platz is in short walking distance, a huge new quarter with impressive architecture on the the ground which had been the nowhere-land between East and West. The wall was not far away. The memorial to the murdered Jews of Europe is 15 minutes by foot. If you cross the park called Tiergarten you will get to the Brandenburger Tor which opens the way to the former center of this city – Berlin Mitte.

And just across the street from the main entrance of the hotel you have already seen the “Bendlerblock”, a building of 1914, serving the Imperial German Navy, after the great war the headquarters of the German army, and then been significantly enlarged under Nazi-rule. Here the conspiracy of July the 20thin 1944 against Hitler had its origin. And here Claus von Stauffenberg and other high-ranking officers were shot in the yard where you find now a memorial of the resistance.

And today it is again belonging to the ministry of defence.

Let me tell you of my first spontaneous reaction when I heard of the topic of the conference. I had asked myself: Why does a planning committee of the EPF trust us with the anniversary conference on behalf of a jubilee of 50 years and give us a topic which, at first glance, seemed to be so German? “Authority” - in English it didn’t sound as bad as in German: “Autorität”. I don’t even like the word. It at once brings to my mind the image of “autoritär”, meaning authoritarian, relating to a “herrische Autorität”, in which you find the word “Herr” playing a role in the feeling of superiority of the so called Aryan race. No wonder that authority is under special suspicion here.

I then came to think further of the topic and my first reaction. In fact it raised deeper feelings of my own personal resentment. This feeling is very much related to the relation to my own father and his at times authoritarian ways and the gradual discovery of his weaknesses, his denial and his narcissism. This of course connects to what my generation born shortly after the second world war had to deal with. It is our legacy to be identified with our parents in a deeply ambivalent way. The oedipal situation in itself of course is ambivalent. In the act of fighting what one’s father represents one at the same time cannot avoid to identify with him - and love him. And there is a feeling of shame to been seen with this history of ours and to what extend “authority” can be misused.

Having thought about this I realised that this conference will engage everybody with very personal experiences.

We may turn to the role of authority in the development of psychoanalysis. And we may think about the crisis of authority in the modern western world, reaching into our own institutions. Or we may rather see this development as one of freeing ourselves. We may think of a crisis of authority concerning any hierarchy, even in the analytic relationship itself, where, as I think, asymmetry is essential.

The term “authority” doesn’t quite fit into psychoanalytic thinking. This however may make it useful to think about the mutual involvement of the transference situation. There is of course a lot of authority attached to the analyst. But this is not put to use by the analyst as if he knew what is good for a given patient. Neither is it dealt with in mutual discussions in an attempt to reject the notion of difference. Quite to the contrary, what is projected and how we react and then work with, is forming the analytic process

Thank you very much to the local committee, formed by members of our two German Societies. I’m still relieved and proud that we work together so creatively and respectfully, considering that the group did not have an internal structure and had to solve many problems by group consent

To the group belonged Eva Reichelt, Rita Marx and Alice Färber from the DPV, and Cornelia Wagner, Sanja Hodciz and Robert Span from the DPG. Later they were joined by Delaram Habibi-Kohlen and Eckehard Pioch, mainly to establish some coverage of the conference in print and radio media.

At the reception you will find information about psychoanalysis in Germany today and its history and you will find invitations to two local training institutes on Sunday afternoon.

Wir freuen uns und empfinden es als eine große Ehre, dass die beiden deutschen Gesellschaften Sie nach Berlin einladen durften. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. (It is a great pleasure and honour for the two German societies to host this event. Thank you that you have come.)

EPF im Internet: http://www.epf-fep.eu/

 

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