Im Rahmen der Reihe öffentlicher Vorträge am „Institut für Psychoanalyse Berlin“ (IPB) „IS THERE ANYBODY OUT THERE?“ hielt die Berliner Psychoanalytikerin Karin Zienert-Eilts am 20.11.2019 einen Vortrag über Donald Trump und seine Wählerschaft. Unter dem Titel „Destruktiver Populismus - pervertierter Container. Eine psychoanalytische Per­spektive auf die Gesellschaft“ ging sie der Frage nach, wie es passieren konnte, dass Donald Trump, der so viel Hass, Neid und Demütigungen verbreitet, dennoch zum US-Präsidenten gewählt wurde. Um dies verstehen zu können, hat Zienert-Eilts Wahlkampfauftritte Trumps aus dem Jahr 2016 ausgewertet und seine Beziehung zu seinen Wählern mit Hilfe der Psychoanalyse untersucht. Die BesucherInnen assoziierten ihre Beobachtungen zu einigen kleinen gezeigten Filmen, was von der Referentin dann theoretisch eingebettet und nachvollziehbar gemacht wurde. Sie orientiert sich dabei an den aufeinander aufbauenden Konzepte von Sigmund Freud, Melanie Klein, Herbert Rosenfeld, Wilfred Bion und Otto Kernberg.

In den gezeigten Videoabschnitten stachelt Trump zum Hass auf, woraufhin die Wähler johlen und noch hasserfüllter werden. Zienert-Eilts beschreibt die Passung zwischen Trump und den Wählern auf einem inner-seelischen Niveau als eine destruktive symbiotische Beziehung. Dritte wie Medien oder Justiz, die triangulierend wirken könnten, würden mit dem Ziel der Ausschaltung angegriffen.

Sie unterscheidet den allgemeinem Populismus (Beispiel: "Yes, we can!“) vom destruktiven Populismus, der Hass mit Omnipotenzgefühlen nähre. Dieser Hass entstehe auch deshalb, weil ein verstehendes „containing“ der Ängste der Menschen misslungen sei. Trump vermittle: „Ich höre Euch zu! Ich bin Eure Stimme! Ich allein kann das!" So sei er zur Macht gelangt und pervertiere darin das berechtigte Anliegen der Menschen, dass ihre Ängste aufgenommen werden. Gerade ängstliche Menschen seien mit Hilfe von Datenanalyse-Unternehmen („Cambridge Analytica“) gezielt mit fake-news „versorgt“ worden. Trump jedoch verwandele Ängste nicht wie in einem gelingenden „containing“ in Beruhigung und Verständnis. Seine Form des „containens“ bezeichnet die Referentin als „destruktives containing“. Im Regressions­prozess der Massen pervertiere er das containing und stachele die Leute in ihren hochaggressiven Affekten auf. Destruktive Affekte würden idealisiert, Erregung nicht transformiert, „Gut und Böse“ werde verkehrt. Die Trump-Wäh­ler­­schaft fühle sich dann in eigenen paranoid-schizoiden Anteilen verstanden und es komme zum Ausleben von Hass und Neid. Diese Form von „containen“ heize auf, statt zu entgiften. Die Angst der Menschen und die Regression auf das paranoid-schizoide Niveau werde auch durch die reale ökonomische Verelendung in den USA befördert. Verstehen, aktive Zuwendung, Teilhabe und Kontakt seien das, was politisch angeboten werden müsse (z.B. in Bürgerforen oder dem Konzept des "Bürgerrates"), aber auch staatliche Begrenzung von Gewalt. Alle diese Faktoren könnten auch für Deutschland und die Entwicklung der AfD bedeutsam sein.

Die Besucher dieser sehr gut besuchten Veranstaltung äußerten am Ende, dass die Psychoanalyse im Verständnis poli­tisch-gesellschaftlicher Prozesse einen wichtigen Beitrag leisten könne. Beeindruckt hat mich, dass der Referentin ein Transfer psychoanalytische Konzepte wie das „containment“ und die „paranoid-schizoide Position“ auf politisch-gesell­schaftliche Prozesse gelungen ist und sie ihre Gedanken auf hohem psychoanalytischen Niveau auch den zahlreichen Nicht-Analytikern vermitteln konnte. So ermöglichte sie der großen, sehr lebendigen Gruppe ein gemeinsames Nach­denken.

Bettina Ganse, Berlin