Aus dem Inneren der Sprache
Am 25. - 26. Oktober 2019 fand die IV. Konferenz der DPG- Arbeitsgemeinschaft Migration mit dem Titel: Wie sage ich es richtig?- Schuld, Scham und Tabu. Sprechen im analytischen Raum in Berlin (BIPP) statt.
Die Konferenz begann am Freitagabend mit einer eindrücklichen szenischen Lesung der beiden Schauspieler Navid Navid und Ercan Durmaz aus den Werken James Baldwins und May Ayims. Baldwin und Ayim - Stimmen zweier Generationen zum Thema Rassismus- wurden durch die wunderbare Lesung im Raum lebendig. Dies war eine bewegende und sinnliche Einstimmung auf die Konferenz und führte in das Tagungsthema auf einfühlende und nachdenkliche Weise ein.
Der erste Vortrag am Samstag umkreiste das Thema des Sprechens im analytischen Raum als eine Übersetzungsarbeit aus philosophisch, sprachwissenschaftlicher und psychoanalytischer Sicht (Bernd Heimerl): Diese Perspektive beinhaltet die Tatsache der inneren Ambiguität der Worte (Freuds Gegensinn der Urworte), die Sprachverwirrungen (Sandor Ferenczi) zwischen zwei Subjekten und dem Sprechen im analytischen Raum als einen kulturellen Zwischenraum in der Sprache bzw. einen kulturellen Übersetzungsraum (Doris Bachmann-Medick) zu konzeptualisieren. Wie sag ich`s richtig? als Projektion und Widerstand im analytischen Verstehen des Fremden.
Christiane Bakhit führte im zweiten Vortrag in das Werk Fakhry Davids ein und sprach über das Auftauchen innerer rassistischer Objekte im analytischen Raum. Nicht nur die fundierte Einführung Christiane Bakhits in das Konzept F. Davids, sondern auch das Fallbeispiel aus ihrer eigenen Praxis mit Hilfe eines Stundenprotokolls regte sehr zur Diskussion und Einfällen aus der eigenen Praxis an. Der Vortrag hatte eine besondere Tiefe, da Christiane Bakhit die Übersetzerin des Buchs von F. Davids ins Deutsche ist. Das Auftauchen des inneren rassistischen Objekts in der Frage: Wie sag ich`s richtig?
Der dritte Vortrag von Hediaty Utari-Witt mit dem Fokus auf das Ringen um die gemeinsame Versprachlichung in der Psychoanalyse: Historische Anmerkungen zur Muttersprache, die Erweiterung in der Zweitsprache und andere Möglichkeiten des Ausdrucks hatte eine mediale Besonderheit indem der Vortrag als Video gezeigt wurde (Frau Utari-Witt war es leider nicht möglich nach Berlin zu reisen). Der Beitrag zeigte auf klare Weise die Implikationen des Eurozentrismus auf die psychoanalytische Theorienbildung, die möglichen Verwicklungen zwischen der Muttersprache und der Zweitsprache und dem Plädoyer, sich dieser Spannung zwischen den Sprachen neugierig zu öffnen. Es folgte eine kontroverse Diskussion über den Begriff der Muttersprache und den subjektiven Theorien zur Muttersprache. Wie sag ich`s richtig? als Konflikt zwischen Treue und Verrat an der Muttersprache.
Im Abschlussplenum wurde die gut besuchte Konferenz als bereichernd, gelungen und vielfältig anregend erlebt mit großer Relevanz für die analytische/klinische Praxis. Im besonderen, wie verwoben die sprachliche Identität mit dem Eigenen und dem Fremden ist und welche Angst mit dem Verlust der sprachlichen Identität verbunden ist.
Dr. Bernd Heimerl