Der Freitagabend galt einem Literaturseminar zum Freudtext Der Dichter und das Phantasieren (1908). Die Arbeit Freuds ist vor allem wegen ihrer Diskussion um die Phantasiearbeit interessant. Der Text wurde von Jochen Haustein zur Diskussion vorgestellt und es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion um die Phantasietätigkeit allgemein. Diese Diskussion verband sich meines Erachtens erhellend mit dem Thema im EU-Parlament zur Polysemie der Sprachen und der Übersetzungsdynamik: das Dichten und Phantasieren ist nur durch die innere Ambivalenz der Worte, dem Gegensinn im Freudschen Sinne überhaupt erst möglich. Eben weil die Sprache mehrdeutig ist, wird sie zu einem Forschungsgegenstand der Psychoanalyse und begründet das Phantasieren über den Kontext und den Ausdruck von Worten hinweg.
Der Samstag war in bekannter Weise durch zwei Fallvorstellungen gerahmt: das besondere Setting besteht aus einem Außen- und Innenkreis, wobei die Teilnehmer*innen aus dem offenen Außenkreis in den maximal aus 12 Teilnehmer*innen bestehenden Innenkreis wechseln können, um sich aktiv an der Fallpräsentation mit Wortbeiträgen zu beteiligen. Im Innenkreis wird gesprochen, im Außenkreis geschwiegen. Die Fallvorstellungen der zwei Vortragenden hatte eine besondere sprachliche Atmosphäre: der süddeutsche (badische) Klang von Petra Bischoff aus Freiburg und Norbert Mierswa aus Karlsruhe füllten den Raum mit einer emotionalen Sprache. Die Präsentationen wurden von Eva Schmid-Gloor und Serge Frisch in bewährter Weise begleitet, vertieft, angereichert und behandlungstechnisch diskutiert.
Das gemeinsame Abendessen im Les petits oignons rundete das dichte Samstagprogramm ab.
Am Sonntagvormittag lud uns Serge Frisch ein, mit ihm an seiner Fallpräsentation der letzten KTK 2018 in Brüssel weiterzuarbeiten und es blieb ein sehr lebendiges und erfrischendes gemeinsames Nachdenken über behandlungstechnische Fragen, theoretische Konzeptionen und dem kreativen Gewinn aus der psychoanalytischen Gruppenarbeit.
Die erste KtK im EPF-Haus fand 2017 statt. Es war der Beginn eines neuen Formats einer KTK in Brüssel. Die 2. KtK 2018 war die Wiederholung. Mit der jetzigen 3. KtK 2019 beginnt eine Serie. Die Zahl „3“ verweist auf den Beginn einer seriellen Veranstaltung; die Zahl „28“ – seit Beginn sind es 28 kasuistisch technische Konferenzen- verweist auf eine lange Tradition, Erfahrung und Wissen in der Darstellungspraxis von analytischem Fallmaterial. So wurde engagiert um das Konzept der KtK diskutiert mit Blick auf die Vergangenheit und auf die Zukunft. Es wäre zu begrüßen, wenn sich die „analytischen“ Generationen weiterhin durchmischen, in ihrer Differenz bereichern und zu einem lebendigen Weiterleben der behandlungstechnischen kasuistischen Konferenz beitragen.
Mir bleibt persönlich ein großer Dank an die Gruppe der AG-KTK: sie schaffen als Gruppe den Rahmen: sichtbar und unsichtbar, zumeist gewährend und manchmal streng, umsichtig, versorgend, moderierend und stets präsent. Die KtK in Brüssel entwickelt sich auch zu einem Ort vielfältiger neuer Begegnungen und Wieder- Begegnungen innerhalb der DPG-Community. Und das ist gut so!
Brüssel, beziehungsweise das EPF-Haus mit Serge Frisch und all den vertrauten Mitarbeiter*Innen vor Ort beginnt ein Arbeits- aber auch ein Vertrauens-Ort zu werden.
Dr. Bernd Heimerl, Berlin