Edna O´Shaughnessy
Am 25. Januar 2022 ist Edna O´Shaughnessy im Alter von 97 Jahren gestorben. Mit ihrem Tod ging eine große und sehr geschätzte Psychoanalytikerin von uns; dies ist sowohl fachlich als auch persönlich ein großer Verlust. Sie hinterlässt eine große Lücke.
Sie wurde von uns allen Red genannt, ich nehme an, weil Sie bis ins hohe Alter ihre Hochfriseur mit roten Haaren trug. Red zu begegnen war wie eine Abenteuerreise in einem unbekannten Land. 1998 erlebte ich sie das erste Mal im Rahmen von Fallbesprechungsseminaren in London. Ich war damals sehr beeindruckt. Ihre Art, wie sie mit dem präsentierten Fallmaterial umgegangen ist, hat mich sehr berührt. Sie war klug und klar im Denken, gleichzeitig warmherzig und tiefsinnig in ihren Überlegungen und Kommentaren zu der Patient-Analytiker-Beziehung. Ich habe sie sehr bewundert und verehrt und war sehr froh, als sie mich für meinen kinderanalytischen Fall in Supervision genommen hat. Ihre Klarheit, Tiefe und Sensibilität für den zweijährigen Patienten hat mir immer wieder geholfen, den kleinen Jungen auf eine Weise zu verstehen, die ich vorher nicht kannte. Ich habe immer gedacht, dass es mit ihrer Grundlage in der Philosophie zusammenhängt und mit ihrer Analyse bei Money-Kyrle. Am Britischen Institut für Psychoanalyse war sie Distinguished Fellow, Lehranalytikerin, Supervisorin der Britischen Psychoanalytischen Society. Vor ihrer Ausbildung am Britischen Institut hatte sie die Psychotherapeutische Ausbildung für Kinderbehandlungen an der Tavistock Clinic absolviert.
In der DPG konnten wir sie für unsere kasuistisch-technischen Konferenzen in London gewinnen. Sie stellte uns 2012 eine Patientin aus einer eigenen Behandlung vor. Mich beeindruckte damals die Schlichtheit und gleichzeitige Präzision und Tiefe ihrer Deutungen. 2013 stellte sie eine Sitzung einer eigenen Kinderanalyse vor und Anne-Marie Sandler kommentierte und diskutierte diesen Fall mit uns Teilnehmern. Es war sehr beeindruckend zu erfahren, wie Red Verhalten und Sprache des Kindes beobachtete, wie tief sie das Kind Leon verstand und ihn mit einfachen Worten deutend erreichte. 2014 stellte sie eine Arbeit zur Kleinianischen Deutungstechnik vor, in der sie die frühere Deutungstechnik auf Partialobjekt-Ebene kritisch beleuchtete.
2015 diskutierte sie zusammen mit Anne-Marie Sandler meine Behandlung des zweijährigen Jungen, den ich bei ihr von 2007 bis 2008 supervidieren ließ. Das Gespräch zwischen den beiden Kinderanalytikerinnen, Anne-Marie Sandler als Schülerin von Anna Freud und Red als Schülerin von Melanie Klein, haben uns sehr stimuliert, über die feinen Unterschiede und Ähnlichkeiten zu reflektieren. Beide großartigen Psychoanalytikerinnen haben feinsinnig und klar ihre unterschiedlichen Standpunkte dargestellt. Für mich war das ein Höhepunkt in der Geschichte der kasuistisch-technischen Konferenzen in London. Ich bin sehr dankbar dafür. Ich hatte auch das Glück, bei ihr, bis sie 2018 aufhörte zu praktizieren, in Supervision sein zu können. Es gab in den Supervisionen immerwunderbaren Kaffee, Red saß mir gegenüber ganz gerade auf ihrem Stuhl. In der letzten Zeit lag ihr Cocker-Spaniel auf der nun „leeren Couch“ und ich saß in einem tiefen Sessel. Ihre Kommentare waren wohlwollend, präzise und voller Verständnis. Schwierigkeiten in der Behandlung hat sie benannt, mich nie dafür verurteilt, sondern ihre Haltung zielte immer darauf, das unbewusste Geschehen der Übertragungs-Gegenübertragungs-Konstellation zu verstehen. Ihre psychoanalytischen Arbeiten zu lesen erweckt immer großes Interesse und Vergnügen. Ihre Sichtweise der dargestellten Phänomene ist auf Vignetten der Behandlung gegründet und damit gut nachvollziehbar. Wir konnten in der kleinianischen kasuistisch-technischen Konferenz mit Richard Rusbridger einen ihrer letzten Vorträge „In high and in the fast lane“ über die manische Abwehr besprechen.
Wir werden Red in liebevoller Wertschätzung und Verehrung gedenken.
Gisela Klinckwort
Leiterin der DPG-Arbeitsgemeinschaft
Psychoanalytische Kasuistik
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Edna “Red” O’Shaughnessy
26th September 1924 – 25th January 2022
I am deeply saddened to let the Membership know that Edna O’Shaughnessy has died. Coming from a background in Philosophy, she became a Distinguished Fellow, Training Analyst, and Supervisor of the British Psychoanalytical Society. Prior to training at the Institute of Psychoanalysis she trained as a child psychotherapist at the Tavistock Clinic Known lovingly as “Red”, she was part of a generation that has made key contributions to national and international psychoanalysis. She was known to her students and colleagues alike for the clarity of her thinking in theoretical and clinical seminars. She has left a mark in all of us who benefited from her teaching. Eileen McGinley writes on the page devoted to Red at the Institute of Psychoanalysis and Melanie Klein Trust websites:
“Reading O’Shaughnessy’s papers, one is struck not only with the clarity of her thinking but the depth of her understanding and her ability to think laterally about complex issues. She conveys compassion for the anxieties and dilemmas that confront both patient and analyst, an attitude she transmits through her work as a supervisor. She also recognises the individuality of a particular patient/analyst coupling, so that the uniqueness of their encounters is acknowledged, as well as the universality of some of their struggles.”
Red will be thoroughly missed. Her funeral will be a private one for the family. I hope that we will plan a Scientific Meeting to celebrate her life and work.
With best wishes
President
British Psychoanalytical Society
Institute of Psychoanalysis
Byron House
112A Shirland Road
London W9-2BT
United Kingdom