„Wer sich nicht bewegt, der spürt auch seine Fesseln nicht“

von DPG

Zum Tod von Siegfried Zepf

Am 15.10.2021 verstarb im Alter von 84 Jahren unser Kollege Prof. Dr. Siegfried Zepf. Wir verlieren mit ihm einen allseits geschätzten Arzt, Psychoanalytiker und Sozialwissenschaftler, der mit seinen vielen Veröffentlichungen den psychoanalytischen Diskurs über Jahrzehnte hinweg bereichert hat.

In Stuttgart geboren, promovierte Siegfried Zepf nach einem Studium der Humanmedizin 1966 und erhielt 1967 die Approbation als Arzt. Er absolvierte zunächst die Facharztausbildung in Innerer Medizin und arbeitete bis 1975 als wissenschaftlicher Assistent an der Kieler Medizinischen Klinik. Schon hier zeigte er ein besonderes Interesse für Psychosomatik und Psychoanalyse, das sich z.B. in einer Veröffentlichung zum Thema „Die Diagnose psychosomatischer Erkrankungen als Problem ärztlichen Erkennens“ niederschlug. In Kiel erhielt er auch die Habilitation für Innere Medizin. Schon 1973 veröffentlichte er seine erste Monographie „Zur Theorie der psychosomatischen Erkrankung“. Hier findet sich schon die für all seine späteren Forschungen verbindliche Orientierung am dialektischen Materialismus, den er mit den Grundannahmen der psychoanalytischen Theorie zu vermitteln versuchte. Er verstand „die psychosomatischen Erkrankungen als Folge widersprüchlicher Sozialisationsbedingungen in einer Klassengesellschaft“ und untersuchte ihre gesellschaftliche Funktion als „Anpassung an gegebene gesellschaftliche Verhältnisse durch die Bildung eines Symptoms.“ Auch während seiner psychoanalytischen Ausbildung galt sein Interesse den von A. Lorenzer voran getriebenen Überlegungen zu einer materialistischen Sozialisationstheorie. Im damalige „Bernfeld-Kreis“ kritischer Psychoanalytiker und Sozialwissenschaftler fand er Mitstreiter, scheute sich aber nicht, seine Kritik auch auf diesen Kreis anzuwenden. Daraus resultierte auch die Herausgeberschaft für das Buch, aus dessen Titel ich die Überschrift zu dieser Würdigung übernommen habe. Die „Anmerkungen zur gegenwärtigen Lage der Psychoanalyse“ spiegeln einerseits die Situation um 1990, dem Jahr der Veröffentlichung, haben aber auch für sein weiteres Denken ihre Sprengkraft behalten. 

1976 wechselte S. Zepf als Oberarzt an die Abteilung Psychosomatik der Medizinische Hochschule Hannover, 1979 als C 3-Professor an das Klinische Institut für Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Düsseldorf.

Im Juli 1992 folgte er einem Ruf auf die Professur für Psychotherapie und Psychosomatik an der Universitätsklinik Homburg/Saar und übernahm die Direktion des Instituts für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatik, die er über den Eintritt in den Ruhestand hinaus bis 2004 innehatte. Er war in dieser Zeit stolz darauf, dass er im Namen des Instituts die „Psychoanalyse“ hatte unterbringen können, die an anderen Orten mehr und mehr hinter der „Psychotherapie“ zurücktrat.

Seit seinem Ruf an die Universität des Saarlandes wirkte S. Zepf auch als Dozent und Lehranalytiker am Saarländischen Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie in der DPG. Hier prägte er zahlreiche Ärzte und Psychologen, die seine profunden Kenntnisse der psychoanalytischen Theorie schätzten und seine klinischen Seminare zahlreich besuchten. Vielen ist er v.a. durch seine unübertroffene Kenntnis der Freud’schen Schriften in Erinnerung. Fast jedes Zitat konnte er aus dem Kopf zuordnen und in der Entwicklung des Freud’schen Denkens verorten.

Von 2006 bis 2016 gehörte S. Zepf dem Vorstand des Saarländischen Instituts für Psychoanalyse und Psychotherapie an. Er leitete in dieser Zeit die Lehranalytikerkonferenz des Instituts und vertrat das SIPP in den Gremien der DPG. 

Das wissenschaftliche Werk von S. Zepf umfasst über 220 Zeitschriftenbeiträge sowie 28 Monographien und mehrbändige Lehrbücher. Ein Vermächtnis für alle, die sich mit seiner kritischen Position auseinandersetzen möchten, sind sein dreibändiges Lehrbuch „Allgemeine psychoanalytische Neurosenlehre, Psychosomatik und Sozialpsychologie“ sowie drei Sammelbände „Psychoanalyse. Aufsätze zu epistemologischen und sozialpsychologischen Fragen sowie zu den theoretischen und therapeutischen Konzepten.“ 

Alf Gerlach