Bericht von der Onlinetagung zur Zukunft der Psychoanalytischen Ausbildung an den Instituten der DPG
Die Zukunft der Psychoanalyse an den Instituten und die neue Weiterbildungsordnung – eine Zerreißprobe?
Onlineveranstaltung der Berufspolitischen Kommission der DPG am 13.05.2021
Eindrücke von der Veranstaltung.
Ein Bericht von Sigmund Mang und Gertrud Corman-Bergau.
Die Informations- und Diskussionsveranstaltung organisierte Beate Blank-Knaut vom DPG Vorstand.
An der Onlineveranstaltung nahmen über 155 Mitglieder teil. Zwei Input-Referate zu Beginn der Veranstaltung ermöglichten eine erste Strukturierung der Thematik unserer Veranstaltung.
Birgit Pechmann referierte zu den wichtigsten Inhalten der neuen bisher vorliegenden Musterweiterbildungsordnung für Psychotherapeuten: „Was beinhaltet die neue Weiterbildungsordnung? Beschlüsse des 38. DPT zur Musterweiterbildungsordnung – mögliche Auswirkungen für die Institute“.
Johanna Naumann sprach zum Thema: „Warum soll(t)en wir als Analytikerinnen und Analytiker und als DPG an der neuen Weiterbildung teilnehmen? Einladung zu einer kritischen Diskussion“. Sie konzentrierte sich dabei auf der Grundlage einer historischen Einordnung auf die Darstellung der emotionalen Verarbeitung dieser Neuerungen bei den Mitgliedern, in den Instituten und der DPG insgesamt. Die beiden Referate können auf der DPG-Homepage nachgelesen werden.
Im Folgenden möchten wir einige Gesichtspunkte des Austausches und der Diskussion unter den Mitgliedern beschreiben.
Natürlich spielten die hohen organisatorischen und wirtschaftlichen Anforderungen, die das neue Psychotherapeutengesetz an uns stellt, eine wichtige Rolle. Viele Themen sind noch nicht ausreichend geklärt. Sie müssen auf dem 39. DPT im Herbst diesen Jahres, sowie in den Weiterbildungsordnungen, wie sie schließlich in den Bundesländern umgesetzt werden, und auch in den Verhandlungen z.B. mit den Krankenkassen konkretisiert werden. Die Kolleginnen und Kollegen der DPG, der DPV, der DGPT und in den Kammern, die unsere psychoanalytischen Anliegen bei den Verhandlungen vertraten, haben unseres Erachtens hervorragende Arbeit geleistet. Die schon vorliegenden Teile der MWBO lassen inzwischen eine Weiterbildung an den Instituten zu, die nicht hinter den derzeitigen fachlichen Standard fallen muss. Umorganisationen der Institute werden aber erhebliche Anstrengungen von uns erfordern, die wir möglicherweise gar nicht leisten können.
In diesem Zusammenhang ist die Anstellung der Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer an der Weiterbildungsstätte zu nennen, die uns ohne weitere finanzielle Zuschüsse auf die Dauer nicht gelingen kann. Schwierigkeiten, aber auch Chancen, sind mit der Verknüpfung von stationärer und ambulanter Weiterbildung verbunden.
Intensivere Kooperationen der Institutsambulanzen (zukünftigen ambulanten Weiterbildungsstätten) mit den Kliniken werden aber notwendig werden. Viele Detailfragen sind hierzu noch nicht geklärt. Die Frage, ob ausreichend viele Kliniken überhaupt bereit sind, an der Weiterbildung als eigenständige, kooperierende Weiterbildungsstätten teilzunehmen, kann noch nicht beantwortet werden.
Der größere Teil der Diskussion unserer Veranstaltung beschäftigte sich aber mit der Vermittlung der psychoanalytischen Inhalte unter den Bedingungen des neuen Psychotherapeutengesetzes.
Die historische Einordnung der jetzigen neuen Regelungen erweiterte den Blick dafür, dass es sich hinsichtlich der Teilnahme an der neuen Weiterbildung nicht um ein einfaches Ja oder Nein handeln muss. Die analytische Psychotherapie im Rahmen der Berufsausübung und dadurch auch als Kassenleistung, aber auch die Psychoanalyse sind immer ein Kompromiss zwischen der Ideal-Psychoanalyse und dem „Nicht-Idealen“ der konkreten Praxis. Dies gilt insbesondere dann, wenn staatliche Vorgaben gemacht werden. Gerade darin liegt wohl die Zerreißprobe, der sich die Institute immer wieder ausgesetzt sehen. Wir müssen uns mit dem „Nicht-Idealen“ arrangieren, so wurde gesagt, und gleichzeitig die Frage gestellt: Wo liegt die Grenze, ab der wir die Anpassung nicht mehr leisten wollen? Unsere Veranstaltung konnte die Schwierigkeiten an wichtigen Schnittpunkten aufzeigen, ohne in ein Ja oder Nein zu verfallen. Dies schien uns die besondere Leistung dieser Diskussion. Angst, Wut, Trauer müssen wir an den Instituten bearbeiten und halten, gleichzeitig aber die faktische Seite klar im Visier haben.
Wichtige Fragen kamen auf, die wir im Augenblick nicht eindeutig beantworten können, über die wir aber nachdenken müssen:
Welche Auswirkungen wird es für die Entwicklung der zukünftigen Kandidatinnen und Kandidaten haben, wenn Sie Angestellte der Institutsambulanz/Weiterbildungsstätte sind? Welche Bedeutung gewinnt die Tatsache, dass die Institutsambulanz die Lehranalyse und Supervision, zumindest teilweise, für die Kandidatinnen und Kandidaten finanzieren muss?
Welche Bedeutung gewinnt die Tatsache, dass wir als Arbeitgeber fungieren? Müssen wir uns dabei nicht in einem neuen besonderen Maß die Abstinenzfrage stellen? Wollen wir uns selbst in dieser professionalisierten Weiterbildung weiterhin „ausbeuten“, und weiterhin die vielen ehrenamtlichen Stunden zur Verfügung stellen? Nehmen uns die vielen Regularien nicht unsere libidinöse Besetzung der Weiterbildung?
Welche Auswirkungen werden die parallelen Weiter- und Ausbildungen an den Instituten (Ärzte, Ausbildung nach altem PTG, Weiterbildung nach neuem PTG, DPG- und IPV-Track) auf den Lehrbetrieb, die Lernatmosphäre haben? Rückt die Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte an unseren Instituten noch weiter in den Hintergrund oder kann sie auch neue Impulse bekommen?
Sind wir darauf vorbereitet, dass wir sehr junge Weiterbildungskandidatinnen und -kandidaten bekommen werden, die nach Abitur und fünf Jahren Universitätsausbildung möglicherweise schon mit 23 Jahren die Weiterbildung zur Psychoanalytikerin bzw. zum Psychoanalytiker beginnen? Welche Kompetenzen können wir von ihnen erwarten? Welche Kompetenzen müssen wir in den Instituten bereitstellen?
Aber gerade zu den letzten Fragen lässt sich zeigen, dass wir nicht im Entweder-Oder-Modus denken sollten. Die jungen Kandidatinnen und Kandidaten sind nämlich nach der Uniausbildung zur Psychotherapeutin / zum Psychotherapeuten mit Approbationsabschluss theoretisch gut ausgebildet. Wir haben die Möglichkeit, sie in der Weiterbildung zu guten Fachpsychotherapeutinnen und Fachpsychotherapeuten weiterzubilden. Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker werden sie, wie heute schon oft, erst im Verlauf der vertiefenden postgraduierten Weiterbildungsbemühungen.
In diesem Sinne wurden auch Chancen im Zusammenhang mit der neuen Weiterbildung genannt. Die Verpflichtung, neben den Langzeitpsychotherapien auch verstärkt andere Methoden wie z.B. Akuttherapie, Kurzzeittherapie zu lehren, lassen uns selbst darum ringen, die analytische Haltung in verschiedenen methodischen Zugängen und Settings zu explizieren. Haben wir so nicht auch die Chance, unsere theoretischen Konzepte zu erweitern bzw. zu erneuern?
Die Institute scheinen derzeit alle noch im Begriff zu sein, sich diesen Fragen, von denen wir hier nur einen Ausschnitt dargestellt haben, zu stellen. Johanna Naumann stellte in ihrem Input-Referat zwei grundsätzliche Möglichkeiten vor, mit den Herausforderungen umzugehen. Die Diskussion nahm öfters darauf Bezug: Das Postgraduierten-Modell und das Interimsmodell.
Das Postgraduierten-Modell besagt, dass an den Instituten nur noch das gelehrt wird, was nach Abschluss der Fachgebietsweiterbildung für einen DPG- bzw. DPG/IPV-Abschluss gebraucht wird. Mit einer Ermächtigung der Institutsambulanz können wir dabei aber (wahrscheinlich) nicht rechnen. Eine weitere wichtige Frage ist, so wurde argumentiert, ob wir, wenn wir zu einem so späten Zeitpunkt in die Weiterbildung einsteigen, überhaupt von den Kandidatinnen und Kandidaten wahrgenommen werden.
Das Interimsmodell beinhaltet ein Weiterbildungsmodell, bei dem zugleich sowohl die Anerkennung als Fachpsychotherapeutin/-psychotherapeut gemäß den Weiterbildungsordnungen der Landespsychotherapeutenkammern als auch der DPG-, DPG/IPV-Abschluss erlangt werden kann. Wir müssen damit rechnen, dass manche der Kandidatinnen und Kandidaten nach Abschluss der Fachgebietsweiterbildung die Weiterbildung bei uns beenden. Ein Teil, und davon können wir ausgehen, wird aber den DPG- bzw. IPV-Abschluss anstreben.
Die Psychoanalyse, so wie wir sie verstehen, an die nächste Generation weiterzugeben, ist ein großes Ziel voller Ideale. Mit ebenso großem Realismus werden wir aber auch immer am „Nicht-Idealen“ arbeiten.
Wir hatten eine sehr anregende, konstruktive und inspirierende Veranstaltung.