Laudatio für Dieter Schnebel

Foto: Carolin Naujocks

Zur Verleihung des Sigmund- Freud- Kultur- Preises 2011 der DPV und der DPG

Johannes Picht (2012): Dieter Schnebel und die Psychoanalyse. In: Musik & Ästhetik 62, 5-17

Im Juni 2011 wurde Dieter Schnebel der Sigmund-Freud-Kulturpreis verliehen.[1] Die Auszeich­nung macht darauf aufmerksam, dass Schnebel sich über weite Strecken seines Lebens von der Psychoanalyse hat begleiten lassen und dass hiervon wichtige Impulse für sein Werk und seine theoretischen Konzeptionen ausgegangen sind. Anlass genug, diese Einflüsse nachzu­zeichnen und aus Sicht eines Psychoanalytikers darauf zu antworten.

Der 70-jährige Schnebel hat im Jahr 2000, als ihm der Tod in Gestalt eines Herzinfarkts schon begegnet war, seine eigene Vita als Kunstwerk gestaltet. Entstanden ist nicht eine Selbststili­sierung, sondern das Protokoll eines Eingebrachtseins in die Zeit und Geformtwerdens aus ihr, eine Spurenschrift des Sichereignens und Zusammentreffens. Unter dem Titel Signatur finden sich hier sogenannte Lebensblätter: eine Collagenfolge aus bunten, sich verflech­ten­den Linien, Namen, Bildern, Textausschnitten und Partiturschnipseln, ein – wie er dazu schreibt - Versuch, die Unterschrift des Lebens zeichnerisch bildhaft zu symbolisieren.[2] Blättert man in diesem Lebenslaub, dann entsteht im Kopf eine Polyphonie, nicht hörbar, aber doch Musik. Dass Musik nicht nur das Hörbare oder gar nur das zu Gehör Gebrachte umfasst, sondern alles Bewegte und in Bewegung Bringende in und aus der Welt, in und aus den Köpfen und Leibern der an ihr, der Musik wie der Welt, Beteiligten, und dass Musik die an ihr Beteiligten zu Teilen und einander Zu-Teilenden werden lässt – diesen Horizont hatte Schnebel zu diesem Zeitpunkt bereits in einer Fülle von Kompositionen und Schriften aus­gebreitet. Hier wird nun das Leben selbst – und das ist auch für Psychoanalytiker eine faszi­nierende Entdeckung – als musikalische Struktur erfahren. Mit oder ohne Psychoanalyse: Wer auf sein Leben zurückblickt und seine Biographie erschafft, muss die Freiheit auf sich nehmen, auszuwählen und daraus sein Stück-Werk[3] zu formen; und dieses Auswählen und Selbst-Erschaffen muss auch der leisten, der darauf hört.

Etwas Ähnliches war für Schnebel schon seit Ende der 50er Jahre zum expliziten Prinzip vie­ler Kompositionen geworden: Der Komponist disponiert Formen und stellt Vorgaben zur Ver­fügung; aber diese fordern keine Reproduktion, sondern eine Freisetzung, damit etwas Neues entsteht, das die Menschen, und zwar schon die Ausführenden, nicht nur das Publi­kum, erreichen und verändern soll. Dies ist durchaus politisch gemeint. Die Kraft geht vom Neuen selbst aus, notiert Schnebel 1991[4] und macht damit deutlich, dass er nicht anleiten, überzeugen oder missionieren, sondern ermöglichen will. Das Prinzip, Befreiung durch eine gegebene und haltgebende Form zu ermöglichen, liegt auch der therapeutischen Wirksam­keit der Psychoanalyse zugrunde. Schnebel hat darüber hinaus aber etwas entwickelt, das er „psychoanalytische Musik“ nennt. Etwas von dem Lebens- und Werkzusammenhang, aus dem solches entstand, sei hier nachgezeichnet.[5]

1930 in der Kleinstadt Lahr am Schwarzwaldrand nördlich von Freiburg geboren, gehört Schnebel zu jener Generation, die alt genug war, um Terror und Schrecken von National­sozialismus und Krieg bewusst zu erfahren, aber zu jung, um in das Geschehen aktiv ver­wickelt zu werden. Es trifft ihn als Schock, die rohe Gewalt mitanzusehen, die am 9. No­vem­ber 1938 auch in Lahr den jüdischen Mitbürgern angetan wird. Dass sein Vater, ein Ingen­ieur, der schon vor 1933 Parteimitglied war, nach 1945 konservativ-autoritären Idealen ver­haftet bleibt, führt zu hitzigen Diskussionen zwischen beiden, nicht aber zu einem Zerwürf­nis. Für die musische Erziehung sorgt als erste die Mutter. Beide Eltern stammen aus dörf­lichen Verhältnissen.

Schnebel beginnt 1949 in Freiburg das Schulmusikstudium, Hauptfach Klavier: Er will nicht nur ausübender Musiker sein, sondern es zieht ihn zum Dienst an den Menschen. Doch in den von ihm vorgefundenen Formen von Musikpädagogik kann er sich nicht wiederfinden. So beschließt er Pfarrer zu werden und wechselt an die Universität Tübingen, wo er im gleichen Jahr 1955 das Theologische Examen ablegt und in Musikwissenschaft promoviert. Während des Studiums schärft sich sein politisch-kritisches Bewusstsein. Er leidet unter der geistigen Enge der Adenauer-Ära und begegnet einer Theologie, die ihm glaubwürdig ist, weil sie aus der Bekennenden Kirche hervorging, orientiert an Karl Barth, Dietrich Bonhoef­fer, Rudolf Bultmann und Martin Niemöller; auch eine Begegnung mit Albert Schweitzer ist bedeutsam. Philosophisch wird vor allem Ernst Bloch, mehr noch als Schnebels späterer Freund Theodor W. Adorno, zur prägenden Figur. Schon im Studium begegnet Schnebel den damals in Deutschland noch wenig verbreiteten Schriften Sigmund Freuds. Er beteiligt sich an den Protesten gegen die Wiederbewaffnung und gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und wird Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner.

Dass er sich daneben der Neuen Musik in ihrer progressivsten Form verschrieb, hängt un­mittelbar mit seinen theologischen und politischen Überzeugungen zusammen, auch wenn ihm dadurch eine Spannung auferlegt war. Einer italienischen Zeitung sagt er Anfang der 80er Jahre:

Es hat in meinem Leben Zeiten gegeben, in denen ich Schwierigkeiten hatte, die Existenz eines avantgardistischen Künstlers und die eines Theologen … zu verbinden. Ich hatte das Gefühl, dass die extremistische und äußerst differenzierte Position, die ich … künstlerisch und theoretisch vertrat, sich nicht ohne weiteres mit dem verbinden lasse, was man in der Kirche schlicht Glaube nennt. … Heute sehe ich Religion und Kunst, Glaube und künstlerisches Schaf­fen eng verbunden … Es mag sein, dass meine theologische Verpflichtung meine künstlerische Existenz sowohl geistig, wie seelisch und moralisch immer wieder zur Verantwortung für das Leben geführt hat … Tatsächlich sehe ich Musik als Medium, … das zu Gemeinschaft führt – zur communio, womit wir wieder in die Nähe der Theologie kämen.[6]

Schnebel ist, während er sich als Avantgarde-Komponist einen Namen macht, Gemeinde­pfarrer in Kaiserslautern, dann Religionslehrer in Frankfurt, später in München; erst 1976 erhält er eine Professur für Experimentelle Musik und Musikwissenschaft an der Hochschule der Künste in Berlin. Noch heute predigt er gelegentlich in einer Kirche in Lichterfelde. Zur Theologie, zu seinem geistlichen Amt und zu seinem Glauben hat Schnebel ein zwar dialekti­sches, jedoch unzerrissenes Verhältnis. Er polemisiert nicht, es ist nicht seine Sache zu siegen.[7] Die Frage nach dem Raum zwischen Theologie und avantgardistischer Musik und nach dem Ort der Psychoanalyse darin führt ins Zentrum dessen, was ihn bewegt.

In Deutschland war in den Nazi-Jahren der Kontakt zur Entwicklung der musikalischen Mo­derne praktisch abgebrochen, sie galt als „entartete Kunst“, ihre Exponenten waren emi­griert, verstorben oder verstummt. Nach Kriegsende waren viele überzeugt, man müsse und könne sich von allem lossagen, was als kompromittiert galt, und die Musik gewissermaßen neu erfinden. Karlheinz Stockhausen schrieb: Selten nur hatte eine Komponistengeneration so viele Trümpfe in der Hand wie unsere … Die Städte sind platt, und man kann wieder ganz von vorne anfangen, ohne die Ruinen zu berücksichtigen oder die übriggebliebenen Dämonen einer Zeit ohne Geschmack.[8]

Der junge Schnebel teilte diesen Impuls; derart undialektisches Denken muss ihn aber be­fremdet haben. Er kann nicht übersehen, dass Musik, die sich von Voraussetzungen zu be­freien versucht, gerade darin eine historische Tendenz fortführt, die sich auf Arnold Schön­berg und Anton von Webern bezieht. Schönberg war, wie Schnebel geradezu psychoana­lytisch formuliert, in der ungenügenden Verarbeitung des Überkommenen steckengeblieben, so dass die regressiven Momente den neuen Ansatz überwuchern.[9] Aus seiner Idee von Gleichrang und Tendenzlosigkeit aller Töne zieht erst Webern radikalere Folgerungen. Von ihm ausgehend dehnt die serielle Kompositionstechnik das Prinzip der Gleichrangigkeit der Elemente konsequent von den Tonhöhen auf andere Parameter wie Tondauer, Intensität und Klangfarbe aus, um sich aus den traditionellen musiksprachlichen Bezügen zu emanzi­pieren, die als hierarchische und damit als Herrschaftsbezüge verdächtig geworden sind.

Schnebels Dissertation über Dynamik bei Schönberg und seine wegweisende Webern-Analyse von 1952[10] zeigen sehr viel differenzierter, als ich es hier wiedergeben kann, wie sich damit die musikalische Zeit verändert. Indem der einzelne Ton mit seinen Parametern in der seriellen Musik wie ein Punkt behandelt wird, der seine Bedeutung nicht mehr aus der Be­ziehung zu anderen Tönen und aus der Logik harmonischer Folgen erhält, verliert die musi­kalische Zeit ihre Zielgerichtetheit. Rhythmen ergeben sich nicht mehr aus metrischen und syntaktischen Bezügen, sondern aus reiner Quantität. Intensitäten folgen nicht mehr aus der Metrik, dienen nicht mehr der Verdeutlichung von Formverläufen, sondern werden zu eigen­ständigen Größen. Die Musik exponiert nicht mehr Themen und läuft auf keinen Schluss mehr zu, sie ist nicht mehr „in“ einer ihr vorgegebenen Zeit, sondern ihre Zeit entsteht erst jeweils momentan aus den immer neuen Konstellationen von aufeinander folgenden Ereig­nissen.[11] Organisiert wird die Folge der Ereignisse durch die Reihe, die alles determiniert, aber keine eigene sinnliche Realität mehr besitzt; es ist ein eigentümliches Paradox, dass strenger Determinismus als Mittel eingesetzt wird, um eine Musik zu schaffen, die sich der Antizipation entzieht.

Schnebel, der zunächst selbst seriell komponiert, ist hochempfindlich gegen die fast unmit­telbar einsetzende Dogmatisierung der seriellen Technik und ist unter den ersten, die Aus­wege suchen. Dies hat verschiedene Aspekte; ich greife einen heraus. 1954/55 schreibt er einen extrem komprimierten Zyklus serieller Musik, genannt Stücke, für 4 – 8 Streicher und einen Dirigenten. Die Spieler haben die Anweisung, sich weit voneinander entfernt an den Ecken des Podiums zu platzieren.[12] Der Dirigent soll, ich zitiere das Partiturvorwort, als lebendes Metronom … die Gliederung der Musik verdeutlichen – nur dies; möglichst nicht Einsätze geben, oder die Spieler zu beeinflussen versuchen. Schnebel erläutert, dass der Dirigent diese verwickelte Taktstruktur … optisch verdeutlicht, da man sie ja nicht hören kann.[13] Hier zieht Schnebel eine unerwartete, aber stringente Konsequenz aus der seriellen Technik: Zeit und hörbare Musik haben ihre unmittelbare Verbundenheit verloren. Die hör­bare Musik vermag die Zeitstruktur, in die sie eingebettet ist, nicht mehr allein zu vermitteln, da es ihr verboten wurde, aus sich heraus syntaktische Bezüge zu bilden. Sie besteht nur noch aus isolierten Klangereignissen. Dies wird nun durch die räumliche Distanzierung der Spieler nicht nur akustisch hervorgehoben, sondern auch in einer Weise inszeniert, die politisch-kritisch verstanden werden kann: der Verlust herkömmlicher hierarchischer Ordnungen setzt den Einzelnen frei, isoliert ihn aber auch. Das Verbindende einer gemein­samen Zeitstruktur ist nur zu retten, indem der Begriff des Musikalischen über das Hörbare hinaus auf das Sichtbare, das Gestische (das lebende Metronom) sowie auf den Raum und auf das Inszenatorische, im Grunde also auf die Totalität der Situation ausgeweitet wird, einschließlich der sozialen Bezüge zwischen den Spielern und dem Dirigenten und zwischen den Musikern und dem Publikum. Im Rückblick wird die Beschränkung der Musik auf das Hörbare als Gefangensein in einer Abstraktion entlarvt.

Von hier aus führt eine ununterbrochene Linie zu den kompositorischen Konzepten, mit denen Schnebel berühmt geworden ist und Pionierarbeit geleistet hat. Auf das erste Auf­treten von John Cage 1958 in Darmstadt, das als Schock auf die deutsche Musikszene wirkt, ist er weniger unvorbereitet als andere; er rezipiert Cage gründlicher, aber auch kritischer als die meisten seiner Kollegen.[14] Früh kommt er in Kontakt mit der Fluxus-Bewegung, mit ihr teilt er die Tendenz, die Grenzen zwischen Kunst und Leben sowie zwischen den traditionel­len Kunstgattungen aufzulösen. Immer unbedingter erweitert sich Schnebels Auffassung vom Metier des Komponisten, der über das Disponieren von Tönen, Klängen und Rhythmen hinaus nun mehr und mehr auch räumliche, szenische, optische und sprachliche Verläufe, dann auch soziale Verläufe, schließlich sogar imaginierte Verläufe im Kopf des Rezipienten und seelische Abläufe zu seiner Sache macht. Das etwas unbeholfene Wort „Verläufe“, das ich hier wähle, soll andeuten, dass es die zeitliche Dimension ist, die es erlaubt, all diese tra­ditionell voneinander getrennten Bereiche als Musik wahrnehmbar zu machen. Schnebel ist – nicht nur als Musiker, sondern auch als Theoretiker - ein Forscher auf dem Gebiet der Zeit­ästhetik, er hat ein ungewöhnlich sensibles Gespür und eine plastische Sprache für die Viel­dimensionalität und die Unterschiede in den musikalischen Konstitutionen von Raum und Zeit. Davon zeugen seine kritischen Texte zu Karlheinz Stockhausen[15] ebenso wie etwa seine Untersuchung zur Zeitkonstitution bei Franz Schubert.[16] Verglichen damit wird deutlich, wie unbeholfen und beschränkt die Psychoanalyse im Erfassen zeitlicher Wahrnehmungen bisher ist.

Von Schnebels Experimenten kann ich nur Weniges andeuten. In visible music I (1960-62) für einen Dirigenten und einen Instrumentalisten erarbeitet sich jeder der beiden Protagonisten aus einem vielfältig auslegbaren Textblatt einen eigenen Part, der sodann in der Ausführung auf den des anderen trifft. Zuerst unterwirft sich der Instrumentalist den Gesten des Dirigen­ten, beginnt aber bald zu „rebellieren“ und seinen eigenen Part zu spielen; der Dirigent folgt schließlich seinen Impulsen, oder es kommt zu gleichrangiger Kooperation. Komponiert ist also nicht das akustische Material, sondern der Verlauf einer sozialen Interaktion zwischen Gängelung, Rebellion und Kooperation. ki-no Nachtmusik für Projektoren und Hörer (1963-67) ist eine überwiegend optische Musik aus Dias und Filmen, die zu Vorstellungen akusti­scher Prozesse und Assoziationen anregen wollen und nur selten durch einen Sprecher, durch Tonbänder und ein Schlagzeug akustisch kommentiert werden; intendiert ist die Musik, die sich im Kopf des Hörers einstellt. Daraus entsteht MO-NO (1969), eine Musik zum Lesen.[17] Der Ort des Entstehens von Musik wird hier immer weiter vom Beginn an das Ende der Produktionsstrecke (zwischen Komponist und Hörer) verlegt; die Interaktionsvorgänge, bisher akzidentelle Transfervorgänge, rücken ins substanzielle Zentrum; was geschieht, bezieht sich immer weniger auf die Intention des Komponisten und immer mehr auf die Offenheit des Moments und die Gesamtheit der Situation – Entwicklungen, die sehr genau dem entsprechen, was sich auch im Übergang von der klassischen zur modernen Psychoana­lyse vollzieht, und die ihr oft voraus sind.

Zugleich hat Schnebel ein emanzipatorisches Anliegen. In den Choralvorspielen (1966/68-69) wird der Klang der Orgel durch Nebeninstrumente und Tonbänder mit den Geräuschen der Winderzeugung und mit Maschinengeräuschen konfrontiert, also mit dem Verweis auf das, was den Orgelklang erzeugt. So wird hereingeholt, was sonst draußen gehalten wird;[18] und am Ende treten die Ausführenden aus der Kirche ins Freie. Diese den Raum der Kirche von außen nach innen und von innen nach außen aufsprengende Kirchenmusik bringt eine theo­logische Grundhaltung zum Ausdruck, die mit Schnebels Überzeugung vom Wesen der Musik zusammenfällt. In dem Aufsatz Musica sacra von 1967 führt er aus, dass eine Abgrenzung des Sakralen vom Profanen theologisch nicht begründet werden könne, und vertritt dagegen einen universalen Begriff des Heiligen, der die Grenze zum Profanen gerade aufhebt und das alltägliche Leben durchdringt. Von hier aus fordert er eine nicht-affirmative negative geist­liche Musik, die sich in ihrem ungezügelten Wesen, ihrer ursprünglichen Intention der Befreiung, nicht beschränken lässt, Widersprüche auf die Spitze treibt, sich von Fremdem bereichern lässt.[19]

Musica sacra benennt auch, was für Schnebel ein zentrales Explorationsfeld ist, und womit man ihn besonders identifiziert.[20] Es heißt dort: Als einer erstmals in Gesang ausbrach, meinte dies wohl: Sich-Lösen von dem, was hielt, Abschütteln von Bedrückendem. Solch frühes Lied war also zugleich Ausdruck der Qual – dass etwas nicht mehr auszuhalten war –, wie Kunde vom unternommenen, gar geglückten Ausweg.[21] Bereits in Fragment von 1955 war eine Sopranstimme ad libitum einem Instrumentalensemble zugesellt, um einen Rilke-Text zu vertonen, eigentlich aber zu zersetzen. Der Werkzyklus Für Stimmen (… missa est), an dem Schnebel von 1957-1968 arbeitete, reduziert Bibelverse, Gebetstexte, Gottesnamen und Anrufungsformeln zunehmend auf autonome, auf kein vorgegebenes Sprachsystem mehr bezogene Lautiervorgänge,[22] um die Stimmen zu den Ursprüngen von Gebet und An­rufung hin freizusetzen. In glossolalie (1959/60) wird Gesprochenes aller Art … als Musik genommen[23], wobei über das schriftlich Fixierbare, gewissermaßen das offiziell Phonetische an den verschiedenen Sprachen hinaus auch der sprachliche Ausdruck, der körperliche Vor­gang des Sprechens, der Dichtegrad des Sprechens und das sprechende Agieren im Raum zu musikalischen Valenzen werden. Schnebel will die derart vielfältigen Melodien der Sprech­verläufe zu einer Symphonie … versammeln.[24] Mit all dem ist er bereits unterwegs zu den Ursprüngen musikalischen Ausdrucks, jenseits nicht nur kultureller, sondern auch individuel­ler Prägungen.

1968, das Jahr des Umbruchs und des Aufbegehrens, ist für Schnebel auch persönlich ein Jahr der Krise. Seine erste Frau Camilla, Mutter seiner beiden Kinder, die sich schon länger in Depression zurückgezogen hatte, nimmt sich das Leben. Es hilft Schnebel, dass er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in psychoanalytische Behandlung begeben hatte. Die Frage des Schweizer Musikjournalisten Hansjörg Pauli, Für wen komponieren Sie eigentlich?,[25] treibt ihn nun dazu an, noch unmittelbarer als bisher seine Kunst politisch zu verstehen und den Zustand derer mitzubedenken …, an die sie sich richtet.[26] Kunst müsste, so schreibt er an anderer Stelle, statt oberhalb der Realität in ihr produziert werden: in Kontakt oder Ausein­andersetzung mit denen, die Kunst wollen, in Einstimmung in ihre Gefühle und Phantasien, in kritischer Absetzung davon oder gar in der gemeinsamen Erschließung unbekannter Regio­nen.[27] Also Kunst als Psychoanalyse?

Dies führt in den Folgejahren zur Konzeption der Maulwerke – Schnebel bezeichnet sie als ein Schlüsselwerk,[28], obwohl von einem Werk in konventionellem Sinn nicht mehr die Rede sein kann; es sind vielmehr, wie Hans Rudolf Zeller schreibt, Produktionsprozesse, die sich zeitweilig zu Werken verdichten können.[29] Hatte Schnebel schon bisher die Ausführenden seiner Musik davon freigesetzt, Vorerdachtes wiederzugeben, und sie ihr Eigenes schaffen lassen, hatte er schon bisher die Stimme aus den Konventionen von Kunstgesang und Schrift­sprache zu befreien und ihr neue Ausdruckspotenziale zu erschließen gesucht, so geht er jetzt den weiteren Schritt, die grundlegenden organischen Vorgänge von Artikulation und Stimmerzeugung als Lebens- und Ausdrucksvorgänge musikalisch zugänglich zu machen. Konventionelle Stimmbildung und Spracherwerb werden gewissermaßen rück-gängig ge­macht. Der Komponist gibt es auf, Klangerzeugung und Ausdruck zu kalkulieren, er überant­wortet dies der Emotionalität und, wie man hinzufügen möchte, der körperlichen Gestimmt­heit und Not-Wendigkeit der Ausführenden. Aber deren psychische Haltung, aus der heraus sie agieren, fordert er kompositorisch heraus! Material und Ausdruck sind nicht mehr zwei­erlei, sondern Ausdruck wird … materialbildend.[30] Schnebel schlägt damit eine ganz neue Richtung des Komponierens ein, die den innovativen Impuls … vom Material. von der Kon­struktion und von der Form auf den von Emotionen gesteuerten Prozess der Klangformung selbst verlagert.[31]

Dies bezeichnet er als psychoanalytische Musik. Er bleibt dabei Wissenschaftler; er wäre nicht Schnebel, wenn er nicht auch bei diesem Experiment systematisch, geradezu enzy­klopädisch vorgehen würde. Die Maulwerke haben vier Teile: Atemzüge, Kehlkopfspannun­gen - Gurgelrollen, Mundstücke und Zungenschläge - Lippenspiel. Sie beginnen jeweils mit Exerzitien, in denen sich die Ausführenden mit den Artikulationsorganen und ihren Möglich­keiten vertraut machen. Von ihnen wird, einzeln oder in Kooperation, zu Produktionen über­gegangen, für die der Komponist Formungsschemata vorgibt. Es folgt als Drittes der Prozess­teil Kommunizieren. Hier werden die Ausführenden angewiesen, ihr Verhalten vom „Es“, vom „Über-Ich“ oder vom „Ich“ aus zu steuern, das heißt triebhaft-impulsiv, oder brav und konventionell, oder aber selbstbewusst und entschieden zu agieren. So erhebt Schnebel die Instanzen des Freudschen Strukturmodells zu musikalischen Kategorien; augenzwinkernd erzählt er, das Ich-hafte sei den Musikern immer besonders schwer gefallen, das Über-Ich-hafte am leichtesten.[32] Können sich die Ausführenden schließlich auf ein objektiviertes Resultat einigen, wird dieses als Opera bezeichnet. Akustische und optische Reproduktions­mittel, etwa Körperschallmikrophone und Lautsprecher oder Fernsehkameras, Videoauf­zeichnungen und Monitore, dienen als weitere Schicht der Darstellung und Rückmeldung der Tätigkeit der Artikulationsorgane, die – so Schnebel - die eigentlichen Ausführenden[33] sind.

Was als Prozess der Selbstbefreiung der Ausführenden konzipiert war und solches auch im Hörer intendierte, stieß durchaus auf Widerstand insbesondere bei professionellen Musi­kern, die erleben mussten, dass ihr mühsam erworbenes Können ihnen keine Sicherheit und Überlegenheit mehr bot[34] und dass Laien ihnen ebenbürtig waren. An der Uraufführung der Maulwerke in Donaueschingen 1974 waren Schüler des Münchner Gymnasiums beteiligt, an dem Schnebel als Musiklehrer eine AG für Neue Musik gegründet hatte. Carla Henius, die großartige Sängerin und Interpretin von Avantgarde-Musik, berichtet über die Arbeit an den Maulwerken: Ich bin sie nie ganz unbefangen angegangen, eher wie durch ein dichtes Ge­strüpp am Boden gekrochen; zerschunden, schmutzig kam ich hinaus ins Freie und fand mich jedesmal an ganz anderer Stelle wieder, als ich erwartet, geträumt oder befürchtet hatte. Im Verlauf der Arbeit … hatte ich wahrhaftig nicht sagen können, wovon ich mich schließlich be­freite. Es war doch eher eine hochnotpeinliche Prozedur, der man unterzogen wurde… Aber der Brunnen war da, ich spürte ihn, wusste, ich werde da hinunter müssen. Erst im Fallen ver­lor sich die Angst, die mich so lange hinderte, wirklich zu springen.[35] An Schnebel hatte sie während der Arbeit an den Atemzügen geschrieben: Dass unser Schnauf-Unternehmen mit Mord und Selbstmord endet, ist durchaus drin.[36] Das Resultat liegt als CD vor, es ist von einer eigentümlich ergreifenden Kraft ganz anderer Art, als wir sie von Musik sonst gewohnt sind.

Die psychoanalytische Musik wird von Schnebel gekennzeichnet als eine Kunst, in der nicht nur wie bisher künstlerische Prozesse dargestellt und realisiert werden, sondern in der auch die psychischen Prozesse, die sich dabei abspielen, bewusst einbezogen werden.[37] Hier kann aber kritisch gefragt werden, ob sich Schnebel wirklich klargemacht hat, wovon die Rede ist, wenn er vom „Es“ spricht. Auch wenn die künstlerischen Resultate für sich sprechen:

Schnebels konzeptueller Umgang mit dem Paradox, dass das Unbewusste „bewusst einbe­zo­gen“ werden soll, mutet aus psychoanalytischer Sicht eher naiv an; von Widerständen und Ängsten ist nicht die Rede. Was Musiker veranstalten, wenn sie aufgefordert sind, „triebhaft impulsiv“ zu agieren, wird sich bei allem Mut zu Provokation und Selbstentäußerung doch immer im Rahmen des letztlich Steuerbaren und situativ-gesellschaftlich Angemessenen und Erträglichen halten; es entspringt eher dem, was bei Freud System Vbw (das Vorbewusste) heißt und dem Bewusstsein näher steht als dem Unbewussten.[38] Ähnliches gilt für eine Inter­view-Äußerung von 1980: Wichtig ist das, was im musikalischen Unbewussten geschieht – das sicher auch ein soziales Unbewusstes ist – sowie im Halbbewussten und Bewussten, so dass in den Tönen ein teils unmittelbarer, teils vermittelter, teils sehr, sehr gefilterter men­schlicher Ausdruck herauskommt.[39] Hier hat man den Eindruck, dass Schnebel verborgen und verbogen hinter gesellschaftlichen Verboten, Prägungen und Zweckgerichtetheiten den ursprünglichen Menschen vermutet - eine Denkfigur, die für die klassische Psychoanalyse noch tragend, heute aber fraglich geworden ist. In der modernen Psychoanalyse werden die Transformationen untersucht, die aus physischen Erregungsvorgängen psychische Elemente werden lassen – erst als solche sind sie subjektiv zuordnungsfähig –, und es zeigt sich dabei, dass das Persönliche und Individuelle nicht allein aus individueller Körperlichkeit, sondern immer schon aus einer sozialen und situativen Matrix hervorgeht.[40] Der Begriff des Unbe­wussten hat an Bedeutung verloren, weil er stets nur eine externe bzw. nachträgliche Attri­bution ist und überdies die problematisch gewordene Prämisse enthält, das Erscheinende sei vor seinem Erscheinen schon „irgendwo“ gewesen. Die Maulwerke erreichen mit den phy­siologischen Gegebenheiten der Lautier- und Artikuliervorgänge eine Schicht, die noch vor subjektiver Ausprägung und Bedeutung liegt und erst in der Äußerung psychische Qualität gewinnt. Die Komposition legt also nicht frei, was jenseits sozialer Verfremdung ursprünglich im Inneren des Individuums vorhanden ist, sie ist vielmehr Paradigma einer sozialen Vor­rich­tung zur Ermöglichung von Transformation, darin einer psychoanalytischen Behand­lungs­situ­ation vergleichbar. Schnebels theoretische Äußerungen bleiben dahinter noch zurück.

Die Maulwerke sind Schlüsselwerk auch darin, dass von ihnen eine Auffächerung der kompo­sitorischen Wege Schnebels ausgeht. Wieder kann ich nur Ausgewähltes erwähnen. Der Ent­deckungsvorgang der Organbewegungen als Klangauslöser setzt sich in die Handwerke-Blas­werke (1977) fort, sozusagen instrumentales Pendant der Maulwerke. Ins Gestische führt die stumme Musik der Körper-Sprache (1979/80). Laut-Gesten-Laute, Titel eines weiteren Werk­zyklus, steht für die Zusammenführung stimmlicher und körperlich-gestischer Kommuni­ka­tion. Hier wie in den musiktheatralischen Konzepten und den sogenannten Museumsstücken wird Akustisches, Optisches und dann auch Räumliches miteinander verbunden, um – wie Schnebel schreibt – das dissoziierte Hören und Sehen wieder in engere Beziehung treten zu lassen.[41] In dem über zwei Jahrzehnte hinweg entstehenden Werkzyklus Psycho-Logia stehen mythologische Gestalten – Pan, Marsyas, Sisyphos, Circe, Amazones, Languido und andere - für psychische Haltungen und Gestimmtheiten, aus denen heraus das vom Kom­ponisten vorgegebene Klangmaterial zu modellieren ist. Ab etwa der Mitte der 80er Jahre tritt dabei der eigenschöpferische Anteil der Ausführenden zurück, und Schnebel kehrt zu vorgegebenen Abläufen zurück; das Projekt, innerpsychische Vorgänge beim Musikmachen wirksam werden zu lassen,[42] zieht sich von der Klangproduktion wieder auf die Klangmodu­lation zurück,[43] es scheint, als sei man der Anstrengung gegen die Widerstände müde ge­worden. In dem Orchesterwerk Thanatos-Eros (1979-1983) greift Schnebel Freuds Triebdua­lismus auf, bricht ihn aber dialektisch auf, indem er ihm das biblische Gleichnis vom Weizen­korn zugesellt, das vergehen muss, wenn es Frucht bringen soll.[44] „Vergänglichkeit“ heißt das der großartigen Kantate Jowägerli (1982/83) zugrundeliegende Gedicht von Johann Peter Hebel, das den Basler Totentanz evoziert; und ein Totentanz ist auch das Nachspiel zu dem Opernfragment Majakowskis Tod (1984-1996). Das Oratorium Ekstasis (1996), der Form nach keineswegs ekstatisch, sondern ein – wie sollte es anders sein? – Kompendium verschiedener Ekstase-Arten (darunter auch einer Todes-Ekstase), sei hier erwähnt als meines Wissens einziges Musikwerk, das einen psychoanalytischen Text zu Gehör bringt, einen Passus aus Michael Balints Angstlust und Regression. Schnebel ordnet diese Werke, ebenso wie etwa seine große Dahlemer Messe (1984-87), einer Werkgruppe zu, die er Tradition nennt, er hat dem Fortschritt gegen die Tradition inzwischen den Fortschritt der Tradition gegenübergestellt und sucht die Neue Musik in Richtung Tradition transparent zu machen.[45] In einer Weise, die mit dem Wort „dialektisch“ nicht ausreichend erfasst ist, hatte das extreme Experiment der Maulwerke zu dieser Wendung beigetragen. Schnebel hatte hier die Erkenntnis gewonnen, dass man auch in der letzten erreichbaren Schicht, in den bio­logischen Grundlagen von Artikulation auf bereits Empfangenes, also Geschichtliches stößt, auf die Ursituation der Kommunikation, auf Äußerung und Antwort.[46] Dies ist die Klammer, die den Fächer zusammenhält.

Schnebels ästhetisches Konzept des musikalischen Ausdrucks kann keine bloße Rückkehr zur Romantik sein; die Dekonstruktion des musikalischen Subjekts in der Avantgarde führt viel­mehr bei ihm dorthin, wo die Lebensvorgänge selbst – jenseits von Subjektivität - sich als Ausdrucksphänomene zu erkennen geben. Allerdings ist Schnebel eingestandenermaßen doch ein wenig ein Romantiker;[47] das Subjekt lebt doch noch bei ihm fort, auch wenn es von Abgründen umgeben ist, es beharrt sozusagen auf sich als einer Möglichkeit.[48] In den Kasch­nitz-Gedichten von 1994, einem der meistgespielten Werke Schnebels, dessen zweite Frau Iris eine Tochter von Marie-Luise Kaschnitz ist, kann man das hören: Hier wird die Tradition des Klavierlieds evoziert, die Gedichte werden aber nicht eigentlich vertont. Das Klavier kom­mentiert mit seinen Klängen eine nackte, zerbrechliche Stimme, die vor den Extremen des Schreiens und Wisperns durch keine Konvention mehr geschützt ist, die aber auch nicht mehr zurückscheut vor lange Zeit verrufenen und gefürchteten Qualitäten wie Schönheit und Schlichtheit. Schnebel interessiert sich für die in den Formen und Idealen der Vergan­genheit bisher unerhörten Möglichkeiten, er sucht die Zukunft der Vergangenheit.

Auch theoretisch erweitert sich Schnebels Interesse von der Untersuchung des Materials auf das, was sich darin ausdrückt, so etwa in dem großen Essay Rückungen – Ver-Rückungen (1981) über Robert Schumann. [49] Er hätte auch in einer psychoanalytischen Zeitschrift er­scheinen können und ist dem Meisten, was an psychoanalytischen Musikinterpretationen bisher gängig ist, an psychologischer Einsicht durchaus gewachsen, bezüglich der Einsicht in die musikalischen Sachverhalte aber turmhoch überlegen. Inzwischen sind aber auch den Psychoanalytikern allzu direkte Schlussfolgerungen aus dem Aufsuchen von Analogien zwischen der seelischen Verfasstheit eines Künstlers und Merkmalen seiner Werke suspekt geworden; und diese Kritik kann vor Schnebels Schumann-Arbeit ebensowenig Halt machen wie vor seiner Untersuchung von Beethovens letztem Streichquartett.[50] Sie betrifft nicht nur das Suggerieren kausaler Beziehungen, die der Komplexität kreativer Prozesse nicht ent­sprechen, und ist auch nicht nur ein methodisches Caveat gegenüber der „wilden“ Analyse[51] historischer Personen. Fraglich geworden ist vielmehr das Konzept von Kunst als subjektiver Äußerung selbst. Auch hier ist – so mein Eindruck – der Musiker und Konzeptkünstler Schnebel dem Theoretiker Schnebel voraus.

Mit der Psychoanalyse teilt Schnebel den Befreiungsimpuls und den Erkenntniswunsch. Er hat sich von der Psychoanalyse beeinflussen und befruchten lassen, und er hat von Konzep­ten und Einsichten der Psychoanalyse in oft überraschender Weise künstlerischen Gebrauch gemacht. Darüber hinaus enthält sein Werk vieles, wovon die Psychoanalyse ihrerseits zu lernen hat. Dies gilt auch heute noch vor allem für seine – angeblich schon Musikgeschichte gewordenen - avantgardistischen und experimentellen Aspekte. Auch die „psychoanalytische Musik“ ist psychoanalytisch, indem sie Experiment ist. Schnebels Musik ist aber – aus heuti­ger Sicht – der Psychoanalyse nicht unbedingt da am nächsten, wo er sie so nennt.

© 2011 Johannes Picht

[1] Der Sigmund-Freud-Kulturpreis wird gemeinsam von den beiden großen deutschen psychoanalytischen Fachgesellschaften (Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft und Deutsche Psychoanalytische Vereinigung) alle zwei Jahre an Nichtpsychoanalytiker verliehen, die die Psychoanalyse in kreativ-kritischer Weise aufnehmen und verwenden. Schnebel ist nach dem Leipziger Philosophen Christoph Türcke der zweite Laureat. Der vorliegende Text basiert auf der Laudatio, die ich zu diesem Anlass gehalten habe.

[2] Dieter Schnebel, Signatur, Mainz 2000 (limitierte Auflage)

[3] Vgl. Dieter Schnebel, Werk-Stücke/Stück-Werk, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, München/Wien 1993, S. 256-261

[4] Dieter Schnebel, Die Schule der Kunst des Neuen, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, a.a.O. S. 12

[5] Die folgende Darstellung verdankt – neben persönlichen Mitteilungen – Wesentliches der ausgezeichneten Biographie von Gisela Nauck; vgl. Gisela Nauck, Schnebel – Lesegänge durch Leben und Werk, Mainz 2001.

[6] zit. nach Nauck, a.a.O. S. 81

[7] Vgl. Dieter Schnebel, Es darf keine Siege mehr geben, im Berliner Tagesspiegel, 2. Oktober 1999 (zit. nach Nauck, a.a.O. S. 326 f)

[8] Karlheinz Stockhausen, zit. bei Jean-Noël von der Weid, Andreas Ginhold, Die Musik des 20. Jahrhunderts. Von Claude Debussy bis Wolfgang Rihm, Frankfurt am Main (2001), S. 246

[9] Dieter Schnebel, Dynamik in der Neuen Musik seit Schönberg (1954/55), in: ders., Denkbare Musik, Köln 1972, S. 38

[10] Dieter Schnebel, Anleitung zum Hören (Weberns op. 27), in: ders., Denkbare Musik, a.a.O.

[11] Vgl. Dieter Schnebel, Dynamik in der Neuen Musik seit Schönberg, a.a.O. S. 41

[12] Dieter Schnebel, Versuche II – Stücke (1954-55), in: ders., Denkbare Musik, a.a.O. S. 172-173

[13] zit. nach Nauck, a.a.O. S. 55

[14] Vgl. Dieter Schnebel, Die kochende Materie der Musik – John Cages experimentelle Formen, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 139-152; Dieter Schnebel, John Cage, 80, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, a.a.O. S. 50-66

[15] Dieter Schnebel, Karlheinz Stockhausen, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O. S. 200-235

[16] Dieter Schnebel, Schubert – Auf der Suche nach der befreiten Zeit, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O. S. 116-129

[17] Dieter Schnebel, MO-NO. Musik zum Lesen (= Räume), Köln 1969

[18] Zu den Charaktisierungen der genannten Werke s. Dieter Schnebel/Hans Rudolf Zeller, Werkverzeichnis, in: Musik-Konzepte 16: Dieter Schnebel, München 1980

[19] Dieter Schnebel, Musica sacra, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O. S. 431-436

[20] Vgl. Jean-Noël von der Weid, Andreas Ginhold, Die Musik des 20. Jahrhunderts. Von Claude Debussy bis Wolfgang Rihm, a.a.O. S. 377 ff

[21] Dieter Schnebel, Musica sacra, a.a.O. S. 432

[22] Dieter Schnebel/Hans Rudolf Zeller, Werkverzeichnis, a.a.O. S. 121

[23] Dieter Schnebel, Glossolalie 61, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 384

[24] Dieter Schnebel, Vokalkomposition bei Schumann – und nachher, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 113

[25] Dieter Schnebel, Für wen komponieren Sie eigentlich? Ein Interview mit Hansjörg Pauli, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 362-372

[26] Dieter Schnebel, Autonome Kunst politisch, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 474-487

[27] Dieter Schnebel, Kunst und innerer Konflikt oder: Wie können Künstler Menschen werden?, in: ders., Denkbare Musik, a.a.O., S. 481-482

[28] Dieter Schnebel, persönliche Mitteilung

[29] Hans Rudolf Zeller, Atemzüge, Maulwerke – Produktionsprozesse, in: Musik-Konzepte 16: Dieter Schnebel, a.a.O. S. 52-66

[30] Nauck, a.a.O. S. 322

[31] Nauck, a.a.O. S. 323

[32] Dieter Schnebel, persönliche Mitteilung

[33] Dieter Schnebel, zitiert in: Hans Rudolf Zeller, Atemzüge, Maulwerke – Produktionsprozesse, a.a.O. S. 54

[34] Bei der Uraufführung von Orchestra –Symphonische Musik für mobile Musiker 1978 kam es aus wohl ähnlichen Gründen zu offenem Protest der Musiker des Kölner Rundfunkorchesters, die Schnebels Intention eines lustvollen Musizierens nicht als solche wahrnehmen mochten und dies teils als überzogenen Anspruch kritisierten, teils ins Lächerliche zogen. Vgl. Dieter Schnebels Erfahrungsbericht, in: Nauck, a.a.O. S. 212-215

[35] Carla Henius, Lehr-Stück, in: Musik-Konzepte 16: Dieter Schnebel, a.a.O. S. 67-73

[36] Carla Henius, Brief vom 20. August 1971, zit. nach Nauck, a.a.O. S. 148

[37] Dieter Schnebel, Psychoanalytische Musik, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, a.a.O. S. 306-309

[38] Sigmund Freud (1915), Das Unbewusste, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. X, London 1940, S. 264-303

[39] Dieter Schnebel im Gespräch mit Gisela Gronemeyer (1980), in: MusikTexte 57/58, Köln 1995, S. 68 (zitiert nach: Nauck, a.a.O. S. 322)

[40] Vgl. z. B. Donald W. Winnicott, The Theory of the Parent-Infant Relationship, in: Int. J. Psycho-Anal., 41 (1960), S. 585-595; Wilfred R. Bion, Transformations, London 1965

[41] Dieter Schnebel, Sehen oder/und Hören – Anmerkungen zu einigen neueren Entwicklungen in Oper und Theater, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, a.a.O. S. 88-95

[42] Dieter Schnebel, Interview-Äußerung, zit. bei Nauck, a.a.O. S. 292

[43] Nauck, a.a.O. S. 294

[44] Nauck, a.a.O. S. 281

[45] Dieter Schnebel, Die Tradition des Fortschritts und der Fortschritt der Tradition – Ein Erfahrungsbericht, in: ders., Anschläge – Ausschläge. Texte zur neuen Musik, a.a.O. S. 113-127

[46] Vgl. Dieter Schnebel 1976, zit. bei Nauck, a.a.O. S. 233

[47] Dieter Schnebel, Denken kann sexy sein - Dankesrede für die Sigmund-Freud-Kulturpreis-Verleihung 2011, in: MusikTexte 130 (August 2011), S. 32-34

[48] Vgl. Johannes Picht, Beethoven und die Krise des Subjekts, in: Musik & Ästhetik 11 (2007), H. 44, S. 5-26; Musik & Ästhetik 12 (2008), H. 45, S. 5-21

[49] Dieter Schnebel, Rückungen – Ver-Rückungen. Psychoanalytische und musikanalytische Betrachtungen zu Schumanns Leben und Werk, in: Musik-Konzepte, Sonderband Schumann I, München 1981

[50] Dieter Schnebel, Der schwer gefasste Entschluss – Beethovens letztes Streichquartett, Vortrag im Rahmenprogramm des Kongresses der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPA) 2008 in Berlin

[51] Vgl. Sigmund Freud (1910), Über „wilde“ Psychoanalyse, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. VIII, London 1940, S. 118-125

Download der Laudatio