Bericht über die Herbstakademie 3. bis 6. Oktober 2018
in Heidelberg
In diesem Jahr richtete das DPG-Institut Heidelberg zum zweiten Mal die Psychoanalytische Herbstakademie aus, die zum siebten Mal stattfand. Die DPG hat sich mit der Herbstakademie zur Aufgabe gemacht, das Interesse an der Psychoanalyse zu wecken und zu zeigen, dass das psychoanalytische Denken nicht nur klinisch geprägt ist, sondern als Erkenntnisinteresse weit darüber hinausgeht und auch zu gesellschaftlichen Problemen etwas zu sagen hat. Als Theorie und Methode der Geistes- und Kulturwissenschaft hat sie einen wichtigen Stellenwert.
Dies zu vermitteln ist der Vorbereitungsgruppe K. Eberhard-Rittmann, H. Eisele und B. May-Jung unter der Leitung von M. Heiming mit dem Thema „Scham und Schuld“ und mit der Zusammenstellung der Vorträge erneut sehr gut gelungen.
Zur Einstimmung gab es einen gesprochenen Text von Freud, sehr eindrucksvoll musikalisch von einer Cellistin eingerahmt. Mit dem ersten spannenden kulturtheoretischen Vortrag über Nietzsches Streitschrift: „Zur Genealogie der Moral“ stellte Herr Prof. Poppenberg zunächst die Frage nach der Herkunft von Moral und dem moralischen Begriff der Schuld und entfaltete sodann mit dem Begriff des „Immoralismus“ eine kritische Einschätzung moralischen Werten gegenüber, die mit kulturellen Vorurteilen behaftet sind. Daraus entwickelte sichin seinem Workshop eine lebhafte Diskussion. Anschließend setze sich Frau Kattermann gesellschaftstheoretisch mit dem Versuch der kollektiven Schuldbearbeitung in der südafrikanischen Wahrheitskommission auseinander, in der sie selbst lange Zeit mitgearbeitet hatte.
Auch in den nächsten Tagen ging es interessant weiter. So erläuterte Frau Taubner ihre These, dass körperliche Gewalt eine Folge nicht mentalisierter Scham sei, die sie in Videoausschnitten aus Gesprächen mit Jugendlichen eindrucksvoll darstellte. Neben weiteren kultur- und insbesondere auch literaturanalytischen Beiträgen zum Thema Schuld (z.B. über Racines „Phaedra“ oder Ndiayes „Drei starke Frauen“ oder auch über L. Bourgeois) gab es viele klinische Vorträge, die deutlich machten, dass nicht nur Patienten, sondern auch Analytiker mit dem Thema Scham und Schuld in sich konfrontiert sind. In den Workshops an den Nachmittagen konnten aufgeworfene Fragen vertieft werden.
Daneben wurde traditionell ein Film gezeigt: „The Salesman“ von A. Farhadi, mit einer Einführung von Frau Brandner. Dieser Film handelt von moralischen Entscheidungen über Schuld und Rache in einer erdrückenden islamischen Gesellschaft, die aber überall sein könnte. Und es gab auch in diesem Jahr die Möglichkeit des geselligen Austausches bei Imbiss, Wein und Musik in „Freuds Bar – abseits von Schuld und Scham“ unter der Regie der AusbildungskanditatInnen des Heidelberger Institutes.
Diesem breit gefächerten inhaltlichen Angebot folgten über 70 TeilnehmerInnen, die sich in der Abschlussveranstaltung sehr begeistert von der Attraktivität des Programmes wie auch dem ausreichendem Raum für Diskussion und Austausch zeigten und weitere Themenvorschläge für die nächste Herbstakademie machten, unter anderem „Psychoanalyse und Freiheit“.
Übereinstimmend evaluierten alle die Veranstaltung als sehr gelungen und bereichernd.
Beate Blank-Knaut