Max Eitingon

(26.06.1881 Mohilew/Galizien –
30.07.1943 Jerusalem), Dr. med., Sohn eines reichen österreichisch-polnischen Pelzhändlers. Eitingon hatte drei jüngere Geschwister: Waldemar, Fanny und Esther. Er wuchs in Leipzig auf, behielt aber seine österreichische Nationalität. Wegen schweren Stotterns konnte er die Schule nur unzureichend abschließen und hatte damit eingeschränkte Studienmöglichkeiten, die ein medizinisches Staatsexamen ausschlossen; trotzdem war er sprachlich überaus begabt - er sprach 13 Sprachen fließend. Er studierte zunächst Geschichte, Physik, anorganische Chemie, Zoologie, Kulturphilosophie, Germanistik und Kunstwissenschaften in Leipzig (1900). Aufgrund seines guten Abschlusszeugnisses konnte er sich als ordentlicher Student der Medizin in Heidelberg einschreiben. Nach einem weiteren Studium in Marburg (bis WS 1903/04) schloss er das Studium in Zürich (1909) mit der Promotion über »die Wirkung des Anfalls auf die Assoziationen der Epileptischen« ab. Da er kein Staatsexamen hatte, konnte er keine allgemeingültige medizinische Qualifikation erlangen. Während seiner Assistententätigkeit im Burghölzli lernte er die Psychoanalyse durch C. G. Jung kennen. Nach einem ersten brieflichen Kontakt zu Freud suchte Eitingon Freud am 28.01.1907 persönlich auf; seine Lehranalyse fand auf abendlichen Spaziergängen statt. Außerdem nahm er an den Sitzungen der Mittwochsgesellschaft teil. 1909 ließ er sich in Berlin nieder und nahm eine Stelle bei dem Neurologen Oppenheim (einem Vetter von Karl Abraham) an. Aus der gemeinsamen Zeit am Burghölzli war er mit Abraham befreundet und gründete mit ihm zusammen, 1908, die Berliner Psychoanalytische Vereinigung. Nach seiner Heirat mit der russischen Schauspielerin Mirra Jacovleina Raigorodsky, 1912, brach sein persönlicher Kontakt zu Abraham ab. 1914 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Seine Erfolge bei der Behandlung von Zwangs- und Kriegsneurotikern wurden mit der Beförderung zum Chefarzt der Beobachtungsabteilung in Kassa und der Auszeichnung mit dem „goldenen Verdienstkreuz mit der Krone am Band der Tapferkeitsmedaille mit Allerhöchster Erschließung vom 11.08.1918“ honoriert. 1919 durchlitt Eitingon eine persönliche Krise mit Insuffizienzgefühlen und Depression, da er keine Kinder würde haben können. Nach dem Krieg stiftete und finanzierte er die erste psychoanalytische Poliklinik und folgte damit auch der Familientradition: sein Vater hatte in Leipzig die Ez-Chaim-Synagoge in Apels Garten gestiftet und das Jüdische Krankenhaus, das nach der Arisierung als Städtische Frauenklinik genutzt wurde, finanziert. 1919 wurde Eitingon als 6. Mitglied in das „geheime Komitee“ aufgenommen. 1921 trat er in den Internationalen Psychoanalytischen Verlag ein und unterstützte ihn ebenfalls finanziell. Im Januar 1922 wurde Eitingon zum Schriftführer der von Abraham geleiteten Berliner Psychoanalytischen Vereinigung gewählt. Anna Freud, die häufig Gast im Eitingonschen Haus war, beschreibt die Atmosphäre dort (an Lou Andreas Salomé am 17.02.1922): „...das ganze Gemisch von Unruhe, Zeitmangel, Menschenfülle, Inanspruchnahme, Ermüdung und Belebtheit habe ich bei Eitingons schon öfter mitgemacht und so arg es vielleicht irgendwo anders wäre, so schön war es dort.“ Im Januar 1924 stellte sich bei ihm eine Facialparese (dadurch ausgelöst, Schiefstellung der Gesichtsmuskulatur) ein und er mußte die psychoanalytische Arbeit für 6 Wochen unterbrechen. Auf Anregung Ernst Simmels wurde 1924 unter Eitingons Vorsitz ein Ausschuss zur Erarbeitung international gültiger Richtlinien zur psychoanalytischen Ausbildung gegründet, dessen Empfehlungen auf dem IX. Internationalen Psychoanalytischen Kongreß in Bad Homburg, 1925, allgemeine Gültigkeit erlangten. Eitingon wurde zum Vorsitzenden der Internationalen Unterrichtskommission gewählt; das blieb er bis zu seinem Tod. Nach Abrahams Tod, 1925, wurde Eitingon die Leitung der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung angetragen. Er lehnte ab, da er als Sekretär der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung vorgesehen war und bereits die Leitung der Unterrichtskommission, der Poliklinik und des Verlags innehatte. Obwohl sich Eitingon wie Freud für die Ausübung der Psychoanalyse durch »Laien« einsetzte und damit im Widerspruch zur amerikanischen Psychoanalytischen Vereinigung stand, brachte er auf dem Innsbrucker Kongreß (1927) eine Resolution ein, in der er für den psychoanalytischen Ausbildungskandidaten ein abgeschlossenes Medizinstudium nachdrücklich befürwortete. Seit 1929 hatte sich die Ertragslage des Eitingonschen Familienunternehmens verschlechtert und auch Eitingons Privatpraxis, die sich in den Jahren 1928 bis 1930 gut entwickelt hatte, war durch die sich verschärfende politische Situation in Deutschland zurückgegangen. Nun musste er seine finanzielle Unterstützung des Berliner Psychoanalytische Institut und des Verlags aufgeben und gehörte sogar zu den Schuldnern der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. Anlässlich der „Arisierung“ des Vorstandes der DPG, musste Eitingon den Vorsitz den „arischen“ Kollegen Felix Boehm und Carl Müller-Braunschweig überlassen. Ende 1933 emigrierte er schweren Herzens nach Israel. In seinem Abschiedsbrief an Felix Boehm schreibt er:

„Lieber Doktor Boehm,
die Entwicklung der Dinge in unserer Vereinigung hat anscheinend zwangsläufig die Diskussion entschieden, die wir so lang geführt haben. Ich hoffe, Sie werden es zumindest begreiflich finden, daß ich nun einen Schritt tue, der mir sehr schwer fällt, sind doch die letzten 24 Jahre deren Hauptinhalt die Arbeit für die Psychoanalyse war, mit uns und für unsere Gesellschaft war, wahrscheinlich der wesentlichste und entscheidende Abschnitt meines Lebens.
Ich bitte meinen Namen aus dem Vereinsregister der Mitglieder der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft zu löschen. Meinen Austritt anmeldend, drücke ich allen hiesigen Mitarbeitern, Kollegen und Freunden im Geiste die Hand, allen denen, die durch das mir so lang erwiesene Vertrauen und durch ihre Mithilfe mir die vergangenen Berliner Jahre zu so unvergeßbaren gemacht haben. Ich wünsche jedem Einzelnen von Euch und unserer gemeinsamen Sache hier alles Gute. Ihr M.M. E." (Eitingon/Boehm, 21.11.1933, unv.).

Max Eitingon ging nach Jerusalem und gründete mit Wulff, Smeliansky, Schalit und Kluge zusammen im November 1933 die Palästinensische Psychoanalytische Vereinigung.
Freuds Tod 1939 schien auch Eitingons Lebensmut erheblich zu beeinträchtigen. In seinen letzten Lebensjahren zog er sich ganz in seinen Privatbereich zurück. Die Emigration hat er nie verwunden.

Seine Berliner Adressen:
1910 Hindersinstr. 14
1913 - 1921 Güntzelstr. 2
1923 - 1927 Rauchstraße 4
Nov. 1928 - 1933 Altensteinstraße 26

Literatur:
- Jones, Ernest (1943): Obituary. Max Eitingon. Int J. o. Psychoa. Vol. 24, 190 – 192
- Neiser, Emil M.J. (1978): Max Eitingon. Leben und Werk. Diss., Mainz.
- Rothe, Daria; Weber, Inge. (2001): „...als käme ich heim zu Vater und Schwester“. - Lou Andreas-Salomé Anna Freud. Briefwechsel 1919 – 1937. Wallstein. (2 Bände)
- Schröter, M. (2002): Max Eitingon and the struggle to esablish an international standard for psychoanalytic training. Int.J.o.Psychoa. Vol 83, 875 – 893