Zur „Frühgeschichte“ der Psychosomatischen Medizin

 

Für viele Mediziner und Medizinhistoriker gilt Hippokrates als derjenige Arzt der Antike, mit dessen Namen sich der Schritt von der Mythologie zur Logik im Medizinischen Denken verbindet. Der Mensch erschien Hippokrates als Ganzes, als beseelter Leib. Besonders wichtig waren ihm und seinen Schülern, Anamnese und Beobachtung der Patienten, um auf diesem Wege zu Diagnose und Therapie zu gelangen. Das war ein deutlicher Bruch mit der medizinischen Tradition seiner Zeit, in der Krankheiten als durch Götter und magische Kräfte verursacht angesehen wurden. „Bis zum Beginn der Neuzeit bildeten die Hippokratische Lehre, vor allem in der durch Galen (129 – 199 n. Chr.) systematisierten und überlieferten Form einerseits und die christliche Lehre und Anthropologie andererseits gemeinsam mit starken magischen Elementen die Grundlagen der Heilkunde“ (Wesiack1 1974, S. 43).

Wesiack [1] (1974, S. 34) geht davon aus, dass die Heilkunde der Hippokratiker mit vollem Recht psychosomatisch genannt werden könne. Er erwähnt eine quasi psychotherapeutische Intervention (S. 35), mit der Hippokrates dem Makedonier-König Perdikkas dessen unbewusste Verliebtheit in eine Nebenfrau seines verstorbenen Vaters deutete und so seine vermeintliche Schwindsucht heilte.

Für Galenus bestand die Einheit von Leib und Seele in der „Zweisamkeit“ von Spirituellem und Materie. Vorsichtig kann man hier evtl. bereits die über 1000 Jahre später von Descartes behauptete rigide Trennung von Körper und Geist bzw. Seele angedeutet beobachten.

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1 Wesiack W: Grundzüge der psychosomatischen Medizin. Beck, München, 1974
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Inhaltsverzeichnis (zum Navigieren bitte auf den Titel klicken)

1. Zur „Frühgeschichte“ der Psychosomatischen Medizin

2. Das Leib-Seele-Problem im Spiegel des Rationalismus

3. Psychismus und Somatismus – zwei Medizin-Richtungen im 19. Jahrhundert

4. S. Freuds Entdeckung des ersten psychosomatischen Modells

5. Erweiterungen und Folgemodelle des Konversionskonzeptes

6. Das Problem der Spezifität beim Zusammenwirken seelischer und körperlicher Faktoren

7. Die zweiphasige Verdrängung bei Alexander Mitscherlich

8. Pensée operatoire und Alexithymie

9. Psychosomatik im Zeichen der Neurobiologie – der Blick in die Zukunft