S. Freuds Entdeckung des ersten psychosomatischen Modells

 

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, war ursprünglich Neurologe und Neuropathologe. Er war auch der erste von der somatisch orientierten Medizin herkommende Arzt und Wissenschaftler, der mit seinem Konversionsmodell unbewusste Phänomene und Symptome als Folge des Wechselspiels zwischen Seele und Körper beschrieb. Stark vereinfacht beinhaltet es, dass ein intrapsychischer Konflikt ins Körperliche „konvertiert“ – also übersetzt - und dort auch zum Ausdruck gebracht wird. Das Konversionsmodell ist das erste wissenschaftlich begründete und empririsch überprüfbare psychosomatische Modell; seine Gültigkeit ist begrenzt auf jene psychogenen Körperstörungen, bei denen ein unbewusster Trieb-Abwehr-Konflikt nachgewiesen werden kann. Dieser Konflikt wird verdrängt (also unbewusst gemacht), weil er nicht aushaltbar ist. Stattdessen wird er körpersprachlich und in der Regel symbolisierend zum Ausdruck gebracht: So kann z. B. eine psychogene Blindheit symbolisieren, dass irgendetwas Sichtbares nicht gesehen werden darf oder nicht gesehen werden durfte; eine psychogene Lähmung etwa kann zum Ausdruck bringen, dass ein zur Handlung drängender (Trieb-)Impuls dadurch (unbewusst) abgewehrt wird, dass es zur (nicht primär organisch verursachten) Lähmung jenes Körperteiles kommt, das die Handlung hätte ausführen können. Der Konflikt zwischen den beiden eigenen Tendenzen (Sehen wollen und nicht sehen sollen oder dürfen, handeln wollen und nicht handeln sollen oder dürfen) verschwindet aus dem Bewusstsein und an seine Stelle tritt das Körpersymptom. In der körperlichen Symptomatik sind somit sowohl der Triebimpuls, als auch die Abwehr dieses Triebimpulses enthalten und symbolisiert dargestellt. In der Anfangszeit der Psychoanalyse – am Ende des 19. Jahrhunderts - spielten für die konversionsneurotischen Symptome häufig unbewusste sexuelle Konflikte eine Rolle.

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Inhaltsverzeichnis (zum Navigieren bitte auf den Titel klicken)

1. Zur „Frühgeschichte“ der Psychosomatischen Medizin
2. Das Leib-Seele-Problem im Spiegel des Rationalismus
3. Psychismus und Somatismus – zwei Medizin-Richtungen im 19. Jahrhundert
4. S. Freuds Entdeckung des ersten psychosomatischen Modells
5. Erweiterungen und Folgemodelle des Konversionskonzeptes
6. Das Problem der Spezifität beim Zusammenwirken seelischer und 
körperlicher Faktoren

7. Die zweiphasige Verdrängung bei Alexander Mitscherlich
8. Pensée operatoire und Alexithymie
9. Psychosomatik im Zeichen der Neurobiologie – der Blick in die Zukunft