Das Leib-Seele-Problem im Spiegel des Rationalismus

 

Die hippokratische Vorstellung einer Art Einheit bzw. Ganzheitlichkeit von Körper, Seele und Geist blieb bis ins 17. Jahrhundert erhalten und änderte sich erst mit dem Franzosen René Descartes. Er galt nicht nur als einer der wichtigsten Naturwissenschaftler und Mathematiker seiner Zeit, sondern auch als Begründer des Rationalismus in der Philosophie. Ihm zufolge gab es zwei Arten von Substanzen, die Gott geschaffen hatte: Eine denkende Substanz („res cogitans“) und eine räumlich ausgedehnte Substanz („res extensa“). In seinen Überlegungen zur Physiologie ging Descartes von Lebensgeistern aus („spiritus animales“), die er als Teil des Blutes betrachtete. In seiner Vorstellung kamen sie im Gehirn mit Teilen der res cogitans in Kontakt und flossen dann in die Muskulatur und in die Nerven. Dort führten sie zu Beseelung des Körpers.

Dieser von Descartes vertretene Dualismus zwischen Körper und Geist/Seele wurde von manchen Wissenschaftlern als Hindernis für weitere wissenschaftliche Entwicklungen angesehen, auch wenn Descartes auf der anderen Seite durch seine damals neuen Anschauungen mit der scholastischen Tradition brach. Diese beschränkte sich im Grunde darauf, Lehrmeinungen zu vergleichen und dabei auf eine Diskurs-Methodik bzw. auf die Logik zu verzichten.

Ab dem 18. Jahrhundert erhielt die Heilkunde dann wesentliche Impulse durch Fortschritte in der Physik und der Chemie. Empirie, Experiment und quantifizierendes Messen hielten auch in die medizinische Forschung immer mehr Einzug. Der menschliche Körper als Objekt der Forschung rückte so sehr in den Mittelpunkt, dass kaum mehr Platz war für einen subjektwissenschaftlichen Standpunkt. Durch die enormen Fortschritte der Naturwissenschaften entwickelte sich die Medizin immer mehr zu einer Art Anwendungsgebiet der Naturwissenschaften. Die Beachtung psychosozialer Faktoren und individueller Erlebnisaspekte trat zurück hinter die Haltung, dass es um Erforschung und Behandlung von Krankheiten und nicht von Kranken gehe.

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Inhaltsverzeichnis (zum Navigieren bitte auf den Titel klicken)

1. Zur „Frühgeschichte“ der Psychosomatischen Medizin
2. Das Leib-Seele-Problem im Spiegel des Rationalismus
3. Psychismus und Somatismus – zwei Medizin-Richtungen im 19. Jahrhundert
4. S. Freuds Entdeckung des ersten psychosomatischen Modells
5. Erweiterungen und Folgemodelle des Konversionskonzeptes
6. Das Problem der Spezifität beim Zusammenwirken seelischer und 
körperlicher Faktoren

7. Die zweiphasige Verdrängung bei Alexander Mitscherlich
8. Pensée operatoire und Alexithymie
9. Psychosomatik im Zeichen der Neurobiologie – der Blick in die Zukunft